Auf der Suche nach der Quelle für die Serratien-Infektionen auf zwei Neugeborenen-Intensivstationen an der Charité räumen Mediziner und Hygiene-Experten Versäumnisse ein. Es könne sein, dass es „die ein oder andere verpasste Handdesinfektion“ beim Pflegepersonal gegeben habe, sagte Petra Gastmeier, Leiterin des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin an der Charité. Der ärztliche Direktor Ulrich Frei sagte der Morgenpost, wenn nicht noch ein „gegenständlicher Übertragungsweg“ gefunden werde, müsse man den Fall „als Übertragung durch Hände oder Personal einschätzen“. Zudem gibt Frei zu: „Die Kommunikation war nicht optimal.“ Die Charité hat zwei Stationen aus Sicherheitsgründen für Neuaufnahmen geschlossen.
Ein Baby war am 5. Oktober nach einer Operation im Deutschen Herzzentrum gestorben, weil es sich zuvor während einer Behandlung auf der Intensivstation der Charité mit Serratien infiziert hatte. Der Bettnachbar des verstorbenen Säuglings musste ebenfalls wegen einer Serratien-Infektion behandelt werden. Diesem Kind geht es wieder gut, heißt es. In der Charité sind insgesamt sieben Frühchen mit dem Darmkeim infiziert. Bei 16 Babys wurde der Keim nachgewiesen, ohne dass eine Erkrankung vorliegt. „Alle Kinder haben auf die Behandlung angesprochen“, sagte Christoph Bührer, Direktor der Klinik für Neonatologie. „Es geht ihnen gut.“
Zurückgewiesen hat das Klinikmanagement den Vorwurf, dass die Frühchen-Abteilungen personell unterbesetzt seien. Das Robert-Koch-Institut empfiehlt für Frühchen-Stationen einen Betreuungsschlüssel von drei Mitarbeitern pro Bett. In der Charité liege er zwischen 2,85 und 2,91. Das sei verbesserungsfähig, aber vertretbar, sagte Frei. Man suche weiter qualifiziertes Personal.
Der erste Serratien-Fall sei in der Charité bereits im Juli aufgetreten. Das Kind habe sich bei seiner Mutter infiziert, eine Woche später sei dann bei einem weiteren Frühchen eine Infektion festgestellt worden. Wie der Keim dann auf der Station überdauern und ab Oktober weitere Frühchen infizieren konnte, „das müssen wir jetzt klären“, sagte Frei.
Gastmeier verteidigte das Krankenhauspersonal: Untersuchungen hätten ergeben, dass eine Übereinstimmung von 92bis93 Prozent mit den Hygienevorschriften auf den betroffenen Stationen vorliegt. Das sei verglichen mit anderen Kliniken „ein sehr gutes Ergebnis“. Die Charité sei damit „Spitzenreiter in Deutschland“. Am Montag hat ein Expertenteam zur Aufklärung der Serratien-Infektion seine Arbeit aufgenommen. „Bislang liegen keine Befunde vor“, sagt Karl Schenkel, Leiter der Hygiene- und Umweltmedizin im Bezirk Mitte und jetzt auch Leiter des sogenannten Ausbruchsteams. Am Freitagabend war die Arbeitsgruppe zusammengerufen worden, in der Mitarbeiter der Charité, des Robert-Koch-Instituts, des Landesamts für Gesundheit und Soziales und der Senatsverwaltung für Gesundheit vertreten sind. Aufgabe der Experten ist es jetzt, „die Quelle zu finden, um weitere Hygieneanordnungen zu treffen und eine Weiterverbreitung zu verhindern“, sagt Christian Hanke (SPD), Bezirksbürgermeister und Gesundheitsstadtrat von Mitte.
Im Moment werden auf den betroffenen Stationen alle Bedarfs- und Gebrauchsgegenstände untersucht. Dazu gehören zum Beispiel Wickeltische, Inkubatoren, Ablagen. Sogenannte Abklatschproben gehen zur mikrobiologischen und epidemiologischen Überprüfung unter anderem an das Landeslabor. Als eine mögliche weitere Infektionsquelle werden auch Babypflegemittel, die Eltern in die Klinik mitgebracht haben, auf Keimbefall getestet. Kürzlich hatten zwei Anbieter ein Baby-Pflegebad aus dem Handel zurückgezogen, weil es mit Serratien-Keimen befallen war. Alle Untersuchungen laufen auch am Deutschen Herzzentrum. „Die Ergebnisse stehen noch aus“, sagte Karl Schenkel.