Integrationsdebatte

Kanzlerin: "Multikulti ist gescheitert"

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In der Integrationsdebatte hat jetzt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nachgelegt. Zuwanderer müssten stärker in die Pflicht genommen werden, sagte die Regierungschefin.

Zugleich betonte sie, dass es wichtiger sei, deutsche Arbeitskräfte zu qualifizieren, statt Spezialisten aus dem Ausland anzuwerben. Auch CSU-Chef Horst Seehofer sagte erneut, Deutschland sei kein Zuwanderungsland. Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül rief seine Landsleute in Deutschland dazu auf, Deutsch zu lernen, und zwar "fließend und ohne Akzent".

Merkel sagte auf dem Deutschlandtag der Jungen Union in Potsdam, es sei wichtig, Zuwanderer zu fördern und zu fordern. Das Fordern sei in der Vergangenheit aber zu kurz gekommen. Zuwanderer müssten nicht nur die deutschen Gesetze achten, sondern auch die deutsche Sprache beherrschen, so die Kanzlerin. "Darauf muss absoluter Wert gelegt werden." Muslimische Mädchen müssten an Schulreisen ebenso teilnehmen wie am Schwimmunterricht. Den "Multikulti-Ansatz" erklärte sie für "absolut gescheitert". Merkel räumte ein, dass Deutschland ohne die Zuwanderung von Spezialisten nicht auskommen werde. Dennoch dürfe man dem leichten Ruf nach Zuwanderung nicht nachgeben, ehe nicht alles darangesetzt worden sei, "unsere eigenen Menschen im Lande zu qualifizieren und ihnen eine Chance zu geben", mahnte Merkel. Drei Millionen Arbeitslose seien zuviel.

Ähnlich hatte sich zuvor bereits Seehofer geäußert. Er erklärte Multikulti für tot. Laut "Focus" betonte er in einem Sieben-Punkte-Plan, dass auch ein vorhergesagter Fachkräftemangel kein "Freibrief für ungesteuerte Zuwanderung" sein könne. Der CSU-Chef forderte zudem grundsätzlich eine Orientierung an der "deutschen Leitkultur". "Integration heißt nicht nebeneinander, sondern miteinander leben, auf dem gemeinsamen Fundament der Werteordnung unseres Grundgesetzes und unserer deutschen Leitkultur, die von den christlich-jüdischen Wurzeln und von Christentum, Humanismus und Aufklärung geprägt ist", erklärte Seehofer in dem Plan. Das sei "der Maßstab für gelingende Integration, für eine starke und soziale Gemeinschaft". Zudem will er "Integrationsbereitschaft und Integrationsfähigkeit als zusätzliches Kriterium neben der Qualifikation" einführen.

Auch Gül rief in der "Süddeutschen Zeitung" die Türken in Deutschland dazu auf, Teil der deutschen Gesellschaft zu werden. Ebenso wie Merkel lobte er den Fußballspieler Mesut Özil als "sehr gelungenes Beispiel für Integration" und verteidigte dessen Entscheidung, in der deutschen Nationalelf zu spielen.

Vor diesem Hintergrund forderte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) mehr Sachlichkeit in der Integrationsdebatte. Es stehe doch außer Frage, dass "in Deutschland lebende Migrantinnen und Migranten die deutsche Sprache lernen und sich an unser Grundgesetz halten müssen", sagte der stellvertretende SPD-Vorsitzende. Dafür müsse verbal nicht immer stärker aufgerüstet werden.

Demgegenüber setzten sich Bildungsministerin Annette Schavan, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (beide CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) für mehr Zuwanderung ein. "Nicht Einwanderung muss uns aufregen, sondern Auswanderung aus Deutschland", sagte Schavan der "Welt am Sonntag". Sie brachte am Freitag ein Gesetz auf den Weg, das allen Ausländern in Deutschland ein Verfahren zur Anerkennung ihres ausländischen Bildungsabschlusses garantiert.