Im 13. Jahr nach der umstrittenen Rechtschreibreform legen Duden und Wahrig parallel zwei neue deutsche Wörterbücher vor - und bescheinigen damit ungewollt der größten Umstellung der deutschen Schriftsprache seit Konrad Duden ihr völliges Scheitern.

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Denn statt einer gemeinsamen Orthografie - also Richtigschreibung - für das Deutsche präsentieren sie zwei. Das Pikante an der Sache: Wahrig und Duden erscheinen neuerdings quasi unter einem Dach: Der neue Herr im Bibliographischen Institut, dem Hausverlag des Dudens, ist derselbe Verlag Cornelsen, der mit Bertelsmann auch den Wahrig herausbringt.

Die Berliner Forschungsgruppe Deutsche Sprache listet in einer ersten Übersicht 350 Abweichungen auf. Soll man laut Duden zum Beispiel "bei Weitem" schreiben, so schließt sich Wahrig "bei weitem" noch nicht an. Hält der Duden an der "bismarckschen" Sozialgesetzgebung fest, meint man bei Wahrig, mit den "Bismarck'schen" Sozialgesetzen besser zu fahren. Und so geht es munter weiter: "Schimäre" oder "Chimäre", "tschau!" oder "ciao!", "Kortison" oder "Cortison", "dahin gehend" oder "dahingehend", "Kakofonie" oder "Kakophonie", "Play-back" oder "Playback", "seit Neuestem" oder "seit neuestem" - in beiden Redaktionen herrscht offenbar Konfusion über das, was laut Rechtschreibreform "richtig" oder "falsch" ist und was - ganz unabhängig von richtig und falsch - "allgemeiner Usus" (also Schriftgebrauch) ist.

Hauptleidtragende sind die Schüler. Der Germanist Uwe Grund hat in einer Studie nachgewiesen, dass die Fehlerquote bei Schülern seit der Reform zugenommen hat - und zwar in den Bereichen, wo die Reformer eingegriffen haben. Der einzige Ausweg aus dem "nationalen Desaster" sei die Rücknahme der Reform.