Berlin - Die Amerikaner waren fassungslos: Unter den Steinzeitislamisten der Taliban befand sich einer der ihren, ein Amerikaner, der «amerikanische Taliban». John Walker Lindh (21), Spross kalifornischer Eltern mit Flower-Power-Vergangenheit, ergab sich Ende November 2001 den mit den USA verbündeten Truppen der Nordallianz in Afghanistan. Gestern sollte er für den Hochverrat an seinem Land zu 20 Jahren Haft verurteilt werden, bei guter Führung wäre er nach 17 Jahren wieder ein freier Mann. Walker Lindh entging lebenslanger Haft, weil er sich schuldig bekannt und mit den US-Behörden kooperiert hatte. Und diese Kooperation ergab Erstaunliches, folgt man den geheimen Verhörprotokollen, die dem US-Nachrichtensender CNN vorliegen. Denn nach Lindhs Aussagen sollten die Angriffe vom 11. September auf World Trade Center und Pentagon nur die erste von drei Terrorwellen sein. Eine zweite sollte, so ließ Lindh die Fahnder wissen, Mitte November, eine dritte dann Anfang 2002 folgen. Walker Lindhs Talibangruppe habe «darüber spekuliert, ob der zweite Angriff, der den ersten in den Schatten stellen sollte, Nuklearanlagen, Öl- und Gaspipelines» zum Ziel habe oder sogar biologische Komponenten beinhalte. Er berichtete, Bin Laden - den er im Jemen vermutet - habe 50 Kämpfer mit 20 Selbstmordaufträgen in die USA und nach Israel entsandt. Lindh, dem die CIA-Agenten «Reue und Bedauern» attestierten, sollte an Angriffen auf die USA und Israel teilnehmen, doch er lehnte ab.
Der amerikanische Taliban bleibt ein Rätsel. Der schüchterne aber gute Schüler liebte Hip-Hop-Musik und wurde ein Anderer, als er sich mit dem radikalen schwarzen Bürgerrechtler Malcolm X beschäftigte. Er konvertierte zum Islam und schloss sich im Mai 2001 den Taliban an.