Berlin - Der zurückgetretene Berliner Wirtschaftssenator Gregor Gysi (PDS) hat Vorwürfe zurückgewiesen, er sei nach sieben Monaten als Regierungsmitglied bereits amtsmüde gewesen. Seine Entscheidung habe auch nichts mit der Untersuchung der Birthler-Behörde auf Stasi-Kontakte zu tun, sondern sei in seinen privat genutzten Freiflügen begründet. «Ich komme mit meinem eigenen Fehler nicht klar und kriege ihn nicht gerechtfertigt», sagte Gysi gestern bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach dem Rücktritt. Gysi widersprach, dass durch sein Ausscheiden ein Imageschaden für die Partei entstanden sei. Er bleibe optimistisch, dass die PDS wieder in den Bundestag einziehen werde. Auch die rot-rote Koalition in Berlin sei nicht beschädigt worden.
Unterdessen läuft bei der Berliner PDS die Suche eines Nachfolgers auf Hochtouren. Nicht bestritten wird in der PDS das Szenario, dass die Partei auf Fraktionschef Harald Wolf zurückgreifen wird. Der Finanzexperte hat nicht ausgeschlossen, den Posten zu übernehmen. «Am Wochenende wird jedoch noch keine Entscheidung verkündet», sagte Wolf gestern. Landesvorsitzender Stefan Liebich käme dann als Fraktionschef in Betracht.
Der ehemalige PDS-Vorsitzende Gysi schloss eine Rückkehr in die Politik nicht definitiv aus. «Ich denke, es ist jetzt vorbei», sagte er. «Aber was weiß ich, was in drei Jahren ist?» Er wolle sich jetzt wieder auf seinen Anwaltsberuf konzentrieren und kündigte an, für die PDS trotzdem im Wahlkampf aufzutreten. Gysi bezeichnete Vermutungen als absurd, er habe nur eine passende Gelegenheit gesucht, um aus seinem Amt auszuscheiden. Sein Amt als Wirtschaftssenator habe ihm Spaß gemacht: «Ich hätte das gerne noch länger gemacht. Ich hatte es mir bis zum Ende der Legislaturperiode vorgenommen.»
Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) betonte, Gysi sei schwer zu ersetzen. Hartmut Friedrich von der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di bedauerte Gysis Ausscheiden. Die Arbeitnehmervertreter hätten dadurch ihren «loyalsten und offensten Gesprächspartner im Senat verloren». Die Industrie- und Handelskammer erklärte, der Nachfolger müsse jemand sein, der das Vertrauen der Wirtschaft genieße. Die Berliner Grünen forderten die rot-rote Koalition auf, den Rücktritt Gysis für eine bessere Vertretung von Ost-Politikern und Frauen im Senat zu nutzen.