Der Völkermord der Türken an den Armeniern war der erste Holocaust des vergangenen Jahrhunderts. Edgar Hilsenrath hat den Genozid in seinem bewegenden Roman "Das Märchen vom letzten Gedanken" dem Vergessen entrissen. In seinem großen epischen Wurf erzählt er berührend von der tragischen Ausrottung einer ganzen Nation. Satirisch, poetisch und traurig, in der strahlenden Schönheit eines orientalischen Märchens. Eine grausame Geschichte, aber auch ein Buch der Liebe, des Glaubens und der Wunder.
Der österreichische Dramatiker Andreas Jungwirth hat das Werk für die Bühnen bearbeitet und die deutsch-armenische Schauspielerin Bea Ehlers sowie Gayane Apinyan, Vorsitzende des Vereins der Freunde von Arzach (Karabach), hatten den Mut, das Theaterstück auf die Bühne zu bringen. Rolf Krieg hat das Drama als musikalisch-rhythmische Szenenfolge inszeniert, unterlegt mit den eindringlichen Kompositionen von Willi Keller. Heute Abend feiert die deutsch-armenische Koproduktion im Theater unterm Dach Berlin-Premiere.
Der letzte Gedanke des Thovma Khatisian (Stepan Gantralyan) tritt als Märchenerzähler Meddah (Bea Ehlers) an ihn heran. Der Sterbende erfährt die Geschichte seiner Eltern, seines Dorfes und seines Volkes. Es ist der tiefe Blick in die Seele einer gepeinigten Nation, die im Jahrhunderte langen Kampf um Autonomie immer wieder unterlag, und es ist eine Totenklage um die Opfer aller Völkermorde.
Theater unterm Dach
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Danziger Str. 101, Prenzlauer Berg. Tel.: 902 95 38 17. Bis 29.11., 20 Uhr. 8, ermäßigt 5 Euro.
Ulrike Borowczyk