Ist Sehen ein Handycap? Regisseur Fabian Larsson findet: "Wir leben im visuellen Korsett!" Das will er durchleuchten. In absoluter Finsternis. Für Deutschlands erste Dunkelbühne in der Unsicht-Bar hat er zusammen mit Heiko Michels das Stück "Schwarz sehen - Weiß hören" inszeniert und stellt dabei die Frage: Was bleibt vom Menschen, wenn das Licht ausgeht?
Unbehagen! Kein Licht, nirgends. Blinde Kellner bringen uns zu den Plätzen. Und von hier aus, Sitz 42, ist hinten dort, wo plötzlich einer anfängt, laut sein Leben zu verfluchen. Das Klavier (gespielt von Viktor Krysyuk, der auch die Gitarre bedient) ist ebenfalls hinten. Zum Glück bleibt es da auch. Im Gegensatz zu den Darstellern. Die fünf Mitwirkenden (allesamt nicht blind) wechseln ständig ihre Plätze. Räumlichkeit ersetzt uns Nicht-Sehenden das Bühnenbild.
Nun ist Dunkelheit an sich schon ein Event, aber davon allein darf die Inszenierung nicht leben. Erzählt wird die Geschichte (Text: Thomas Lilge) von Pain und Nabel, zwei Berliner Dotcom-Reichen, die eine Agentur gründen zur Desinformation der Öffentlichkeit über Ereignisse, die nicht stattgefunden haben. Eine Firma, die nichts als Hülle ist und die Welt zerstören wird. Vorher fahren sie noch in die Südsee: Meeresrauschen, und weht da nicht plötzlich eine leichte Brise durchs Publikum?
Die Sinne sind verwirrt, neben uns rennt einer um sein Leben, Stimmen wechseln den Ort, die Saiten des Klaviers vibrieren leise und schicken ein Echo durch den Raum. Die Regisseure nutzen unsere hoch sensibilisierte Wahrnehmung perfekt, und das allein ist eine höchst erstaunliche Erfahrung. Allerdings bleibt die Geschichte selbst fragmenthaft, die Verknüpfung der Szenen funktioniert nicht immer. "Ich habe im Dunkeln den direkten Zugang zur Phantasie der Leute", sagt Regisseur Fabian Larsson. Gut möglich, dass unsere Phantasie das noch nicht zulassen will, weil sie es einfach nicht gewohnt ist. Das kann sich ändern: Die Dunkel-Bar bietet jetzt zum Üben fast jeden Abend ein neues Bühnenprogramm.
"Schwarz sehen - Weiß hören": Unsicht-Bar, Gormannstr. 14., Mitte. Tel.: 24 34 25 00. Heute, 22. 10. und 29. 10. jeweils 20.30 Uhr (unbedingt reservieren und frühzeitig dort sein). 12/erm. 9 Euro.