Er moderiert demnächst "Wetten, dass ..?", er darf während der Fahrt als Einziger mit dem Busfahrer sprechen, und sogar der große Cristiano Ronaldo fragt ihn nach seinen neuesten Tricks. Während der smarte Außenverteidiger von Schalke 04 auf dem Feld nur noch eine Randfigur darstellt, ist er im Internet zur Ikone avanciert. Der Aufstieg ist rasant. Binnen sechs Monaten gelang es Sarpei, mehr Aufmerksamkeit auf sich zu fokussieren als in seinen 190 vorangegangenen Bundesligaspielen. Er rangiert derzeit irgendwo zwischen Übermensch und modernem Märchenhelden.
Doch wie kam es eigentlich dazu, dass sich mittlerweile etwa tausend Gruppen der Online-Community "Facebook" um einen 35-jährigen Ergänzungsspieler drehen? Alles begann am 5. April 2011.
Der FC Schalke 04 hatte das erste Champions-League-Spiel unter dem neuen Trainer Ralf Rangnick sensationell mit 5:2 gewonnen, und das im Viertelfinale bei Titelverteidiger Inter Mailand. Hans Sarpei und Alexander Baumjohann, beide zuvor von Felix Magath in die zweite Mannschaft verbannt, standen unter Rangnick in der Startformation und zahlten das Vertrauen mit starken Leistungen zurück. Sarpeis ironischer Seitenhieb Richtung Ex-Trainer Magath ("Nicht schlecht für Amateure") verbreitete sich nach dem "Wunder von Mailand" rasant im Internet. Einige Schalke-Fans machten es sich daraufhin zum Hobby, lustige Hans-Sarpei-Sprüche zu erfinden.
Der erste ("Hans Sarpei gefällt das!") wurde als Kommentar in unzähligen Internet-Talks genutzt. Zudem veranstaltete die Schalker Fanseite "Web04" eine Hans-Sarpei-Woche, die den Trubel um den Linksverteidiger begründete. Mit dabei war auch der 28-jährige Blogger von Web04, Jan-Nicolai Kolorz. Für ihn verkörpert Hans Sarpei die ideale Kultfigur. Er sei "ein lustiger Typ und stets zu Scherzen aufgelegt". Die "besondere Mischung aus afrikanischen Wurzeln, deutschem Vornamen und kölschem Dialekt machen den Rottweiler von Chorweiler so einzigartig", sagt Kolorz.
Im Sommer 2011 wurde aus dem Kult ein regelrechter Hype. Es war der 4. Juli 2011, Sommerpause, der Ball ruhte, die Fans langweilten sich. In einem Twitter-Gespräch fragte Sarpeis Kumpel Baumjohann diesen, was es Neues auf Schalke gebe. Sarpei erwiderte süffisant: "Du sollst nach Wolfsburg" (zu Magath) - was Baumjohann gar nicht lustig fand: "Darüber macht man keine Witze."
Was Sarpei mit diesem Spruch auslöste, ließ sich damals noch nicht erahnen. Binnen kürzester Zeit entwickelte sich im Internet eine Hans-Sarpei-Hysterie. Seine Facebook-Gruppe zählt mittlerweile fast 80 000 Mitglieder. Damit hat er mehr Fans als Bundesliga-Torschützenkönig Mario Gomez. Sarpei selbst ahnte zunächst lange nichts von seinem Ruhm. "Was an dem Spruch lustig sein soll, war mir lange ein Rätsel, es fing alles an, ohne dass ich das mitbekommen habe", so der Deutsch-Ghanaer. Erst Anfang September klärten ihn die Blogger von "Web04" darüber auf, wie alles anfing.
Der Chuck Norris der Bundesliga
Der Kult entwickelte eine rasante Eigendynamik. Hunderte Facebook-Gruppen wurden gegründet, in denen Sarpei-Fans ihrer Fantasie freien Lauf ließen: Hans Sarpei kann in einem Spiel vier Punkte holen. Mein Name ist Hans Sarpei - das "L" steht für Gefahr. Selbst Nicht-Fußballfans bekamen Glückwünsche wie: "Hans Sarpei sagt, du hast heute Geburtstag!"
Vorbild hierfür war der amerikanische Schauspieler Chuck Norris, dessen Männlichkeit seit Jahren auf witzige Art im Internet stilisiert wird (Chuck Norris isst keinen Honig, er kaut Bienen). Sarpei begegnet dem Trubel um seine Person mit Humor und sieht ihn nicht als Abklatsch eines amerikanischen Hypes. Auf die Frage, ob er sich wie der deutsche Chuck Norris fühle, antwortete er in seiner ihm eigenen Art: "Gegenfrage: Sieht sich Chuck Norris als der amerikanische Hans Sarpei?"
Über die ungeahnte Aufmerksamkeit durch die Fans freut sich Sarpei dennoch kindisch. "Mit welcher Leidenschaft die Fans Tag für Tag neue Facebook-Gruppen eröffnen, imponiert mir sehr." Er genießt seinen neuen Ruhm sichtlich. Es sei "in jedem Fall besser, als wenn ich im australischen Dschungel Spinnen essen oder mit dem Mund Sterne greifen müsste." Es ist seine coole und ungezwungene Art, die Sarpei zum Publikumsliebling macht, und das nicht nur im Stadion. Bei aller Popularität denkt Sarpei noch lange nicht ans Karriereende: "Roger Milla hat ja noch mit 42 Jahren bei der WM ein Tor gemacht. Warum sollte ich nicht mit 38 Jahren welche für Ghana bei der WM in Brasilien verhindern?" Lose Anfragen gebe es wohl, jedoch nichts Konkretes - und keine von Felix Magath. Vielleicht helfen ihm ja seine übermenschlichen Kräfte. Schließlich kann Hans Sarpei seine eigenen Elfmeter halten. Bei einer Aufgabe jedoch stößt auch er an seine Grenzen, wie seine Facebook-Freunde finden: Selbst Hans Sarpei kann Magath nicht mehr helfen.