Vor wenigen Tagen lieferte die Polizei Bilder, vor denen sich alle Vereine der gerade gestarteten Zweiten Liga fürchten. Zwei Hundertschaften in Panzermonturen und mit schweren Helmen kämpfen in dichtem Rauch gegen 100 Hooligans. Direkt vor dem Rostocker Stadion. Es war zum Glück nur eine Übung, Polizisten mimten die Krawallmacher.
Ein Routinetest, der ins Bild passt. Mit den Absteigern aus der Bundesliga, Eintracht Frankfurt und St. Pauli, und den Aufsteigern aus Liga drei, Braunschweig, Rostock und Dynamo Dresden, kommen fünf Vereine in die Zweite Liga mit "einer hohen Anziehungskraft", wie es Helmut Spahn, der Sicherheitschef des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), nennt, "auf eigene wie auch auf gegnerische Fans".
Bei allen fünf neuen Klubs tummeln sich jede Menge Fans, die von der Polizei in die Kategorien B (gewaltbereit) und C (gewaltsuchend) einsortiert werden. Braunschweig soll davon 260 aufweisen, Rostock 350, Dresden sowie St. Pauli je 500 und Eintracht Frankfurt gar 600. Die Fans der Hessen feierten sich am letzten Spieltag der vergangenen Saison selbst als "Randalemeister 2011". Im Spiel zuvor hatten Randalierer nach dem verloren gegangenen Heimspiel gegen Köln den Platz gestürmt, Spieler und Polizisten angegriffen, Banden zertreten und eine Kamera demoliert. "15 Jungs malen ein Plakat - und das ist nun das Branding unseres Vereins", sagt Heribert Bruchhagen, der Vorstandsvorsitzende der Eintracht, die im ersten Heimspiel gegen St. Pauli nur 19 000 Zuschauer ins Stadion lassen darf. Einnahmeverlust: eine halbe Million Euro. "Neben dem Sport ist die Fanproblematik das Thema, das den Vorstand am meisten beschäftigt", sagt Bruchhagen. Das gilt wohl auch für Dynamo Dresden, das gestern bei Energie Cottbus mit 1:2 (1:0) verlor. Im Umfeld der Partie blieb es immerhin friedlich, dank rigoroser Fantrennung und striktem Alkoholverbot.
Kategorie Risikospiel
"Wir werden die interessanteste Zweite Liga der jüngsten Vergangenheit erleben", sagt Torsten Rudolph, Leiter des Fanprojekts Dresden, "mit den größten aktiven Fanszenen." Wie aktiv einige Dresdner Anhänger sein können, zeigten sie im Relegationsspiel in Osnabrück. Das Spiel war zwischenzeitlich unterbrochen, nach dem Dresdner Sieg (3:1 n.V.) stürmten Fans den Platz, rissen Sitzschalen heraus und griffen Polizisten an. Bilanz: 14 Festnahmen und 16 Strafanzeigen - auch gegen Osnabrücker. Kein einziges Dynamo-Spiel in der vergangenen Saison bewertete der DFB im Vorfeld als "unproblematisch". Alle fielen in die Kategorien "Unter Beobachtung" oder "Risikospiel".
Auch in Rostock wurden am letzten Spieltag Spieler und Offizielle erschüttert: Auf der Südtribüne brannten Bengalische Feuer, dazu prangten ein Konterfei des getöteten Terrorführers Osama bin Laden und der Spruch "Aufgestiegen" in der Kurve. Nun werden den Fans Privilegien entzogen. "Das Vertrauen muss sich wieder erarbeitet werden", sagt Lorenz Kubitz, der Pressesprecher des FC Hansa. Die Fanvertreter bekannten sich zu einem Kodex, sich an die Stadionregeln zu halten. Zudem hält sich der Verein die Option offen, die Südtribüne - Rostocks Stimmungstribüne - jederzeit zu schließen.
Kommunikation misslungen
Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), lobt Rostock für diese klare Haltung bei gleichzeitiger Kommunikation mit den Fangruppen. Doch der Gewerkschafter warnt: "Die Zweite Liga droht zur Chaosliga zu werden." Der Berliner Morgenpost sagte Wendt: "Es ist damit zu rechnen, dass diese Zweiligasaison für den Steuerzahler die teuerste der Geschichte wird." Der jüngste Jahresbericht Fußball der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) über die Saison 2009/10 rechnet vor, dass alle Polizisten zusammen 1,76 Millionen Arbeitsstunden aufwendeten, um Bundesliga- und Zweitligaspiele zu sichern. Damit diese Zahl nicht weiter steigt, setzt auch Frankfurts Chef Bruchhagen auf den Dialog und auf klare Strafen. Kommunikation ist der Schlüssel zur Befriedung.
Vor dem ersten Risikospiel am Freitagabend hatte Energie Cottbus kommuniziert, dass es den Dresdner Fans 1000 Tickets mehr als die üblichen 2200 zur Verfügung stellt. "Innovativ, bemerkenswert, positiv", nennt Spahn die Maßnahme. Denn eigentlich gibt die Kategorisierung "Risikospiel" den Klubs die Möglichkeit, das Kartenkontingent zu reduzieren. Doch die Geste des guten Willens kam bei den Dresdner Fans offensichtlich nicht durchweg positiv an. Sie fühlten sich gegängelt, weil nur personalisierte Tickets ausgegeben wurden. Kommunikation misslungen. Das muss sich schleunigst ändern. Andernfalls bleibt nur die Gewissheit, dass zumindest die Rostocker Polizisten gut vorbereitet sind.