Während die anderen Mannschaften beim Badminton-Europapokal im Korber-Sportzentrum um den Sieg kämpfen, geht es für die Spieler aus Aserbaidschan um etwas ganz Anderes: Sie sehen sich als Botschafter ihres im Aufbruch befindlichen Landes.
Eine Niederlage - und was für eine. Cavanschir Alizade steht am Spielfeldrand, der Schweiß auf dem verwaschenen Polo-Shirt hat die vergangenen 20 Minuten protokolliert. Zu oft musste der 44-Jährige seinen Körper in die vier Ecken des Badminton-Feldes zwingen, mit jedem verlorenen Punkt wurde sein Atem lauter, der Schritt in den Turnschuhen mit der abgelaufenen Sohle langsamer.
Der schwedische Weltklassespieler Gustav Ihrlund hat der Nummer eins aus Aserbaidschan keine Chance gelassen. 15:0, 15:0 nach 18 Minuten. Zu Null, Höchststrafe für jeden Sportler. Grund für Depressionen, Grund zum Aufhören. Grund zum Lächeln. «Ich bin nicht zum Gewinnen hier», sagt Cavanschir, 25-maliger Meister seines Landes.
Sie nennen sich selbst die Badminton-Botschafter: Sechs Männer und Frauen aus Baku, die als erste Mannschaft Aserbaidschan beim Europapokal der Landesmeister in Berlin vertreten. Sie sind der Gegenpol zu den anderen 25 Mannschaften: Die Mission des Baku Klub ist mehr diplomatischer als sportlicher Natur. Sie lächeln - statt zu schmettern, sie erzählen - statt zu punkten.
Cavanschir erzählt, und seine schwarzen Augen beobachten das Damendoppel, das an den schwedischen Schmetterbällen verzweifelt. Zehn Jahre lang war Aserbaidschan am Boden, der Zusammenbruch der Sowjetunion zerstörte die Infrastruktur. Geld für den Sport gab es bei einem durchschnittlichen Tageseinkommen von zwei Euro erst recht nicht. Internationale Turniere mit Teams aus Aserbaidschan blieben Mangelware. Nach Jahren der wirtschaftlichen Modernisierung hat die Wirtschaft des osteuropäischen Landes mit der Größe Österreichs zweistellige Wachstumsraten, Sport soll den Namen des Landes wieder in die Welt tragen.
Den einwöchigen Aufenthalt von Cavanschir und seinen Spielern finanziert fast ausschließlich das Sportministerium, die Spieler zahlen mit perfekten Umgangsformen zurück. Freundlich und in gebrochenem Englisch gratuliert das Damendoppel, das inzwischen im wahrsten Sinne des Wortes fertig ist, den Schwedinnen zum Sieg. Und lädt die Klassespieler prompt zu einem Turnier in die ferne Heimat ein. Ob die schwedischen Halbprofis die Einladung in das Land annehmen, das noch östlich von Russland liegt, ist fraglich, doch die europäischen Top-Klubs erkennen, dass es in Aserbaidschan wieder Badminton gibt.
«In unserem Land spielen über 300 Menschen Badminton, aber wir trainieren alle unter schlechten Bedingungen», keucht Teamkollege Nargiz Schehdiyena, auch 44, nachdem er sein Einzel verloren hat. Die Struktur für Leistungssport fehlt: In den 18 Vereinen des Landes ist kein Geld für die international üblichen Naturfeder-Bälle vorhanden. «Selbst die Besten spielen mit Plastikbällen, und unsere Schläger sind veraltet», erzählt der Sportlehrer mit dem kleinen Bauchansatz. Mehr als dreimal in der Woche trainiert kaum jemand.
Doch unter der Decke hängt die Flagge des Landes. Trotz Sprachbarriere erfahren Spieler und Zuschauer mehr über die Menschen aus dem unbekannten Land. «Ich bin froh über diesen Farbtupfer. Ich habe es bis zum Schluss nicht für möglich gehalten, dass die kommen», erzählt Organisator Rainer Behnisch. «Wäre doch langweilig, wenn hier nur ganz normale Mannschaften wären», sagt auch der deutsche Spitzenspieler Marcel Reuter (Wiebelskirchen).
Die sympathischen Gesichter werden den Berliner Zuschauern länger in Erinnerung bleiben als die sportliche Leistung, die wohl maximal Oberliga-Niveau entspricht. Mit vier glatten Niederlagen verabschiedeten sich die Sportler gestern aus dem Turnier.
Doch die sechs Badminton-Diplomaten werden auch an den Finaltagen heute und morgen auf der Tribüne sitzen. Und erzählen.