Berlin - Es waren eher die kleinen Dinge, die Wendell Alexis zeigten, dass sich in dieser Saison etwas grundlegend verändert hat. Der Basketball-Profi von Alba Berlin war plötzlich nicht mehr so gefragt, wenn es um die Präsentation der Stars in der Bundesliga ging. Andere wurden in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt wie John Best von Bayer Leverkusen, Marcus Goree von den Opel Skyliners Frankfurt, Terrence Rencher von den Telekom Baskets Bonn oder Clint Cotis Harrison von RheinEnergy Cologne.
Kaum jemand tippte noch auf Alba als kommenden Meister. Und Alexis, der seit 1996, als er in die Bundesliga wechselte, als der beste Spieler in Deutschland galt? Der wird im Juli 38, hieß es halb bedauernd, halb verständnisvoll. Irgendwann komme für jeden der Tag, an dem andere, jüngere Spieler vorbeiziehen. In einer regionalen westdeutschen Zeitung wurde ein Bild veröffentlicht: Harrison, Rencher und Best greifen nach dem Meisterschild; wäre Goree nicht im fernen Frankfurt gewesen, hätte er vermutlich auch seinen Platz auf dem Foto gefunden. Alexis eher nicht.
Dieser «nachlassende Respekt», sagt der US-Amerikaner, der wegen seiner stoischen Art Iceman genannt wird, hat ihn und seine Mannschaft nicht kalt gelassen. «Das war für uns alle eine ganz spezielle Motivation», gibt Alexis zu, «auch für mich natürlich.» Wie könne man Leute die besten Spieler der Liga nennen, obwohl die noch nicht einen Titel geholt haben? Wendell Alexis hat allein mit Alba deren acht gewonnen.
Der besagte Artikel sei im Umkleideraum herumgereicht worden, als die Mannschaft sich für das erste Play-off-Viertelfinale bei Bayer Leverkusen bereit machte. Man kann sagen, dass sie bereit war. Alexis spielte gegen Best. Alexis hatte am Ende 21 Punkte, neun Rebounds, zwei Fouls. Best kam auf acht Punkte, drei Rebounds und schied mit fünf Fouls vorzeitig aus.
Alba ist durch das Viertelfinale marschiert und hat nun auch das Halbfinale gegen Frankfurt mit drei Siegen im Handstreich entschieden. Marcus Goree machte die gleiche deprimierende Erfahrung wie vor ihm Best. Der 24-Jährige, der beim 76:93 im dritten Spiel nur fünf seiner 15 Würfe verwandelte, war eine Randerscheinung. Alexis dagegen, sagte Frankfurts Coach Gordon Herbert, «ist ein Leader, wie es ihn in dieser Liga kein zweites Mal gibt. Je größer das Spiel ist, desto stärker trumpft er auf». Seine Bilanz am Samstag: die meisten Punkte (24) und Rebounds (11), eine starke Trefferquote (zehn von 13 verwandelt).
«Es ist erstaunlich, wie er den Schalter in den Play-offs umstellen konnte», sagt sein Mitspieler Marko Pesic anerkennend. In der regulären Saison spielte Alexis eher unauffällig. Aber der Mann, der seine 17. Saison in Europa bestreitet, der den Sprung in die NBA nicht schaffte, winkt ab. Wie die Kollegen Goree, Best oder Harrison in den Scorer-Listen ganz oben zu stehen - «das habe ich alles hinter mir». In den entscheidenden Spielen da zu sein: Darauf komme es an. Und zwar nicht nur für ihn allein.
Alba-Vizepräsident Marco Baldi stört, «dass Wendell jetzt in dem Fokus steht, er entscheide die Spiele allein». Alba sei keine Mannschaft, die davon lebt, «dass ein Spieler alles reißt». Alexis sieht das ganz ähnlich. Es gehe darum, die Mitspieler einzubinden. «Das müssen andere noch lernen», meint Wendell Alexis und denkt dabei an Spieler wie Best oder Goree, «dass sie sich damit das Leben selbst auch leichter machen.»
Sicher auch eine Frage der Reife. Jahr für Jahr, sagt Alexis, spüre er sein Alter mehr. Und eine so schwierige Saison wie diese hat er selten erlebt. Das lag vor allem an einer privaten Tragödie: Die Schwester seiner Frau zählte zu den Opfern des Attentats auf das World Trade Center. «Ich musste sehr tief in mir graben, um wieder Lust zum Training zu bekommen.» Dazu kamen Verletzungsprobleme im Kader. «Das zeigt den Charakter unseres Teams», sagt Wendell Alexis, «wir hätten sagen können: Okay, es ist nicht unsere Saison. Aber wir sind wieder aufgestanden.»
Am Ende sind es eben doch die größeren Dinge, die entscheidend sind, wenn es um eine Meisterschaft geht.