Party mit Abschiedstränen

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Ralf Köttker und Georg Nolte

Berlin - Als die Mannschaft mit der goldenen Trophäe in den Händen auf die Ehrenrunde ging, standen die Zuschauer von ihren Plätzen auf und hielten ihre Schals in den Abendhimmel. «Königsblauer S04» klang aus 50 000 Kehlen, während die meisten der 20 000 Anhänger von Bayer Leverkusen längst mit hängenden Köpfen das Stadion verlassen hatten. Die lautstarke Fangemeinde von Schalke 04 feierte den 4:2-Sieg gegen den Vizemeister, den zweiten DFB-Pokalsieg in Folge. Und vor allem sich selbst.

Es war eine große Party in blau und weiß, die nach dem Schlusspfiff im Olympiastadion begann, irgendwann in den Morgenstunden in den Kneipen am Kurfürstendamm einschlief und gestern auf den Straßen von Gelsenkirchen weiterging. Nach einer Saison mit vielen Höhen und Tiefen feierte der Fußball-Bundesligist in Berlin das tröstende Happyend. Der Pott bleibt im Pott. Weil sich Schalke trotz des Rückstandes durch den Treffer von Dimitar Berbatow nicht aufgab und zum vierten Pokaltitel der Klubhistorie kämpfte.

Während die Fans den lauen Maiabend mit Dosenbier und guter Laune auf den Straßen und in den Biergärten verbrachten, leerten die Spieler auf der Fahrt zum Bankett die ersten Kisten Bier. «Letztes Jahr war der Pokalsieg schon super, dieses Jahr fast noch besser, weil wir den Cup verteidigt haben», sagte Andreas Möller, der neben Jörg Böhme, Victor Agali und Ebbe Sand getroffen hatte. Dann prostete er Olaf Thon («Ich habe ja nur zugeschaut, aber ich trinke mit») zu.

Die Freude war riesengroß, aber als Spieler, Verantwortliche und Sponsoren auf der anschließenden Feier zusammensaßen, wollte überschäumende Ausgelassenheit nicht aufkommen. Im Jahr davor hatten sie an gleicher Stelle gesungen und mit offenem Hemdskragen in die Nacht getanzt. Damals hatten sie die Meisterschaft in letzter Sekunde aus den Händen geben müssen und sich mit dem Pokal getröstet.

In diesem Jahr war die Atmosphäre anders. Neben der Zufriedenheit war viel Wehmut im Spiel. Nachdenklichkeit über das Ende einer Ära, die bei einigen auf die Stimmung schlug. Schließlich war es der Abend der Abschiede. Da war der letzte Arbeitstag von Trainer Huub Stevens. Daneben verlässt mit den «Alten» Jiri Nemec (35), Mike Büskens (34), Yves Eigenrauch (31), Youri Mulder (33) eine Spielergeneration den Klub, die Schalke 04 in den zurückliegenden Jahren wieder zu einem der erfolgreichsten deutschen Vereine gemacht hat. Typen, die als «Eurofighter» den Verein zum Uefa-Cup-Sieg 1997 geschossen haben.

«Es tut sehr weh, Leute zu verabschieden, an die ich mich gewöhnt habe, die für mich Weltklasse waren», sagte Rudi Assauer zu später Stunde. Der Manager verlor in dem emotionalen Durcheinander die Fassung und teilweise das gute Benehmen. Einem Sponsoren, der nur gratulieren wollte, pampte Assauer an: «Wer sind Sie? Wenn Sie wichtig wären, würde ich sie kennen. Ich habe keine Zeit, gehen Sie woanders hin». Lebensgefährtin Simone Thomalla versuchte die Situation zu entspannen.

Kurz vor drei Uhr morgens flossen dann bei Assauer die Tränen. Vielleicht ist dem Mann mit der Zigarre erst in diesem Moment bewusst geworden, dass ein Kapitel Klubgeschichte zu Ende geht.