Je weiter man zurückblicken kann, desto weiter wird man vorausblicken.
Winston Churchill
Hannawald siegt im Januar. Hannawald siegt im Dezember. Fliegend ist das Jahr ins Land gezogen. Nichts Neues, ein Sportjahr tut das sowieso. Keine Zeit zum Luftholen. Keine Muße, ausgiebig zu genießen. Das nächste Spiel, der schnellere Sprint, der höhere Anspruch. Die kleinlauten Verlierer neben strahlenden Siegern.
Hannawald siegte. Vier Springen auf vier Schanzen gewann der Sachse, der sich zum Schwarzwälder erklärt hat. Die Schlagzeilen prasselten im Januar nach dem für unmöglich gehaltenen Rekord. Falsch gedacht, Sportnörgler! Hannis Stakkato - ein legendärer Auftakt ins Jahr. Winter-Olympia, Fußball-WM, EM der Schwimmer und Leichtathleten . . . Die Emotionen waren mitunter kaum zu kontrollieren. Pechstein, Friesinger, Woods, Super-Ingo (Schultz), Schumi, Nowitzki, Borussia Dortmund, van Almsick, Sampras - viel zu viel des Guten. Das einzig Schmerzliche: Die Flut der Ereignisse. Zwischen Gold und Gold in Salt Lake City oder den WM-Toren in Fernost lagen läppische Minuten. Zu wenig, um die Arme zu heben und beglückt zu schreien. Zu wenig, um die Schampusflaschen taktvoll zu entkorken und einzugießen. In Deutschland trank man schlicht aus Flaschen. So geschehen beim EHC Eisbären, als Claudia Pechstein mit ihrem vierten Olympiagold und schwarz-rot-goldener Kunsthaarperücke jubelte. Monate später. Der knurrige Kritiker jedweder nationaler Freude war chancenlos. Tausende standen auf Plätzen, die Landesfahne um den Hals und die Farben auf der Wange und guckten vormittags nach Japan und Südkorea und brüllten Leinwänden entgegen: «Deutschland, Deutschland». Fußball-WM - sie einte das Volk, wie es kein Kohl oder Schröder schafft. Unser Kahn, herzte der Sachse. Unser Ballack, jodelte der Bayer. Und alle: Es gibt nur ein' Rudi Völler. Die deutschen Kicker haben mehr vollbracht als nur das Vize vor dem Weltmeister. Haben sie nicht allen Zauderern im Lande so wunderbar bewiesen, wie man mit Herzblut, Teamgeist und Vertrauen in den Nebenmann auch auf einem ganz ganz großen Ball des Sports eine blendende Figur abgeben kann, obwohl man doch in trauriger Kluft zum Feste aufbrach?
Täglich ferngesehen. Zeitung gelesen. Kneipengespräche belauscht. Freunde klagen hören. Die Themen? Oha, meist deprimiert bis dunkelgrau vorgetragen wurde Düsteres aus der Rubrik Zukunftsangst. Arbeitslosenzahlen verdrängten den Terrorhorror. Das Wahlgetöse die Firmenpleiten. Steuerschätzung die Steuererhöhung. Die Börsencrashs die Fluttragödien. Traurig wars, wirklich. Bis es Zeit war, ins Stadion zu gehen, den Fernseher einzuschalten - danke, dass der kunterbunte Sport den Aktiven nicht nur Geld und Gold brachte, sondern - so hochtrabend wie profan es klingen mag - den Menschen auch hochklassige Ablenkung vom grauen Alltag bot. Schon schön, dass auch Dauerweltmeister Schumi mit seinen einsamen Rundfahrten Frohsinn stiftet. Was Franzi von Hause aus tut, wenn sie von sich selbst überrascht und tränenreich aus dem Pool steigt. Ein Fisch namens Franzi - der Sommer war Genuss. Lance Armstrong flog zum vierten Tour-Sieg. An der Ostsee hatten die Hobbysegler bei ihrer Jahresregatta Totalflaute. Die Kleinen hockten fluchend und weinend auf ihren Jollen. Dann gab es Erdbeereis, Bratwurst und Lagerfeuer. Auch der Hobbysportler fand lachend den Heimweg - bringt das neue Jahr eben frischen Wind.
Hannawald siegt und 2002 geht. 2003 kommt - und einer wird gewinnen. Wer? Der Sport(fan) natürlich.