Gesucht und gefunden

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Torge Horn

Ein modernes Märchen: Ohne seine Eltern zieht ein 14-Jähriger von Kanada nach Berlin, weil er dort die Tanzpartnerin gefunden hat. Drei Jahre später sind sie Jugend-Weltmeister. Das Märchen ist wahr.

Das Ergebnis war noch nicht verkündet, da kamen schon die ersten Gratulanten auf Polina Kolodizner und Denys Drozdyuk zu. Nachdem das Duo auch den finalen zehnten Tanz - den Jive - sauber aufs Parkett gelegt hatte, war den Konkurrenzpaaren aus Litauen, Polen und der Ukraine klar, dass die neuen Jugend-Weltmeister in der Kombination (Standard und Latein) nur aus Deutschland kommen konnten. Zu überlegen hatten sich die 17-jährigen Berliner am Sonnabend in Szombathely/Ungarn präsentiert.

Einzig Kolodizner/Drozdyuk selbst schienen noch nicht so recht an den größten Jugend-Erfolg in der Geschichte des deutschen Tanzsports zu glauben - allein die Hoffnung war da: «Ach, bitte, bitte, gönnt uns das», stammelte Polina Kolodizner immer wieder. Die Ungewissheit war verständlich, so ihre Trainerin in den Lateintänzen, Janet Marmulla, denn «man kann sich selbst gut einschätzen, die Konkurrenz ebenfalls. Aber die Wertungsrichter, die kann man am schwierigsten einschätzen.» Nach 20 quälenden Minuten, bei der Siegerehrung um Punkt Mitternacht, dann die Bestätigung: Weltmeister! Überglücklich fielen sich Polina Kolodizner und Denys Drozdyuk in die Arme.

Noch nie zuvor hatte ein deutsches Tanzpaar im Jugendbereich (15 bis 18 Jahre) einen WM-Titel geholt, 2000 war den beiden in der Ukraine geborenen Schülern bereits das gleiche gelungen - damals noch als Junioren, ebenfalls in Ungarn. «Sie sind ein absolutes Ausnahmepaar in Deutschland», sagt Marmulla - seit 20 Jahren im Trainergeschäft - über ihre Schützlinge, denen sie «großen Ehrgeiz, eine stabile Psyche und außergewöhnliche Begabung» bescheinigt. Zudem passten sie vom Körperbau gut zusammen, meint die Trainerin vom Ahorn-Club.

Außergewöhnlich ist auch die Geschichte der beiden. Kennen gelernt haben sich Polina Kolodizner und Denys Drozdyuk vor drei Jahren per Internet. Polina, die 1990 mit ihren Eltern nach Berlin kam und erst mit Zwölf anfing zu tanzen, suchte einen neuen Partner. Denys, der mittlerweile in Kanada lebte und seinerseits als Vierjähriger mit dem Tanzen begonnen hatte, fand die digitale Anzeige und reagierte. Nach ein paar Telefonaten, Foto-Mails und einem Probetraining waren sie sich einig. Denys packte mit 14 seine Koffer und zog alleine nach Europa. Seitdem lebt er bei Polinas Familie. «Er ist wie ein Sohn für uns», sagt Polinas Vater. Die gemeinsame ukrainische Herkunft war Zufall. Und da Polina die deutsche Staatsbürgerschaft hat, starten die beiden für Deutschland.

Denys und Polina sind nur auf dem Tanzparkett ein Paar. Dass sie dort aber umso traumhafter zusammenpassen, können sie in einem dreiviertel Jahr erneut beweisen. Am 20. September findet die nächste Jugend-WM statt - in der Max-Schmeling-Halle.