Crespo lässt Ronaldo vergessen

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Alex Valerj

Massimo Moratti hat genug von den großen Dramen seiner Amtszeit: Der zweite Riss von Ronaldos Patellasehne im April 2000 etwa, das peinliche Aus in der Qualifikation zur Champions League gegen Helsingborg vier Monate später, die unglückliche Niederlage im italienischen Meisterschaftsfinale vergangene Saison. An die Heldentaten kann sich der Präsident von Inter Mailand dagegen kaum erinnern.

Der letzte europäische Triumph datiert aus dem Jahr 1998 (Uefa-Cup-Sieger, 3:0 gegen Lazio Rom), den letzten Titel in der Serie A gewann Inter 1989. Dabei versuchte der Spross einer der einflussreichsten Unternehmerfamilien Italiens «mein ganz persönliches Trauma» stets mit dem Scheckbuch zu kurieren. Seit 1995 investierte er 500 Millionen Euro in Personal. Jetzt fordert Moratti die Rendite ein: «Ein Titel muss endlich her.» Am besten in der Champions League, wo Inter heute Leverkusen empfängt.

Erstaunlich genug, dass nach dem Weggang von Superstar Ronaldo die Chancen unverändert gut stehen - dank des Höhenflugs seines Nachfolgers Hernan Jorge Crespo (27). Der Argentinier kam im Paket mit Bernardo Corradi für 34,5 Millionen Euro von Lazio Rom und ist mit neun Treffern der erfolgreichste Torschütze der Champions League.

Dem begnadeten Dribbler Crespo steht in Nationalstürmer Christian Vieri (29) ein kongenialer Partner zur Seite. Muskelpaket Vieri (1,85 m, 82 kg) tritt meistens außerhalb des Strafraums an, verfügt über einen gewaltigen Antritt, hat Vorteile im Zweikampf. Der drahtige Crespo (1,84 m, 78 kg) ist kopfball- und schussstark. Als hätten sich beide abgesprochen, hält sich Vieri, der 1999 für 40 Millionen Euro von Lazio kam, in der Champions League mit Toren zurück und holt sich seine Erfolgserlebnisse in der Meisterschaft (zwölf Treffer). Crespo dagegen braucht die internationale Bühne für seine Kunststücke. In der Serie A, wo er nur zwei Mal traf, «fehlt mir manchmal die Inspiration», gibt er zu. Vor dem Mailänder Derby sortierte ihn Cuper sogar aus. Seine Verbannung auf die Tribüne empfand der Familienvater dann aber doch als «Beleidigung».

Inzwischen hat Crespo das Rotationsprinzip akzeptiert. In Emre, der zuletzt beim 3:3 gegen Lazio zwei Tore erzielte, und Recoba verfügt Cuper über Alternativen. Der Argentinier musste begreifen, dass er nicht immer die erste Geige spielt. Zudem stagnierte sein Gehalt: Nun verdient er eine halbe Million weniger als Vieri - etwa 4,5 Millionen Euro.

Die Stimmung hat das nicht getrübt. Als vor einem Monat vor dem Meazza-Stadion Kalender verkauft wurden, für die Vieris Freundin, eine ehemalige TV-Moderatorin, freizügig posierte, klopfte Crespo Vieri in der Umkleidekabine auf die Schulter: «Da musst du durch.» Der lobt seinen Sturmpartner: «Hernans großes Plus ist die Disziplin.»

Nur mit Ex-Arbeitgeber Lazio hat Crespo eine Rechnung offen. Genauer gesagt mit Präsident Sergio Cragnotti. «Er hat immer die Schuld auf die Spieler geschoben, wenn er sie verkauft hat», klagte Crespo über den Molkereibesitzer. Der hatte Crespo einst empfohlen, das «Maul zu halten oder zu verschwinden». Am 1. September verschwand er - zu Inter.