Hertha sucht den Flankengott

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Ralf Köttker

Mit Pinto und Karwan sollte die rechte Seite belebt werden. Doch es bleibt dabei: Seit der Zeit, als ein gesunder Deisler die Außenbahn kultivierte, lahmt das rechte Flügelspiel bei Hertha BSC. Ein Grund dafür, dass die Berliner zu oft durch die Mitte angreifen und bisher erst 16 Tore erzielt haben.

Genau genommen gibt es das Problem seit dem 17. März 2001. Hertha BSC verlor an diesem Tag mit 0:3 bei Energie Cottbus. Es war eine unansehnliche Vorstellung der Berliner, so ähnlich wie die zurückliegenden Spiele. Ein Spieltag, an den sich niemand gerne erinnert. Wenn es etwas Positives gab, dann war es der Mann mit der Trikotnummer 26. Sebastian Deisler feierte nach einem Muskelfaserriss in einem schwachen Team ein gutes Comeback. Doch eigentlich fing damit das Trauerspiel auf der rechten Offensivseite an.

Der mittlerweile zum FC Bayern gewechselte Profi orientierte sich an diesem Nachmittag immer mehr in die Schaltzentrale des Spiels. Er lief sich frei, forderte den Ball, dirigierte und agierte. Dass Deisler immer wieder von den Kollegen gesucht wurde, machte deutlich, wie sehr ein kompetenter Ballverteiler gefehlt hatte. Der Jungstar hatte den ersten Schritt in die Zentrale gemacht, im Nationaltrikot durfte er gegen Albanien den nächsten machen. Der Aufstieg zum Spielmacher war nicht aufzuhalten, auch wenn es auf seiner Position keinen Ersatz gab. Seitdem fehlt dem Klub ein rechtes Mittel, um das Vakuum auszufüllen.

«Das Problem auf der rechten Seite gibt es. Wir werden uns dort für den offensiven Bereich verstärken», versprach Dieter Hoeneß damals. Der Manager verpflichtete zuerst Roberto Pinto und zu Beginn dieser Saison Bartosz Karwan für die vakante Position. Kurz vor Ende der Hinrunde ist das Fazit der Einkaufspolitik ernüchternd: Obwohl Pinto im Gegensatz zu Karwan in einigen Spielen gute Ansätze gezeigt hat, ist das alte Defizit gegenwärtig. Die rechte Seite bleibt die Problemzone der Berliner und ein Grund für das mangelhafte Flügelspiel des Tabellenachten in dieser Spielzeit.

«Pinto hat körperliche Probleme, von Karwan hätten wir mehr erwartet», gibt Hoeneß zu und versucht die Situation abzuschwächen: «Wenn es in der Spielentwicklung fehlt, läuft auf der rechten Seite auch nicht viel.» Herthas Trainer Huub Stevens spricht das Problem deutlicher an. «Linksfüße haben wir genug. Wir brauchen einen kreativen Mann mit Tiefgang und einem starken rechten Fuß», sagt der Holländer und macht die Notwendigkeit einer Verstärkung deutlich: «Wenn man so einen Mann nicht hat, dann muss man sich kümmern.»

Dass die Forderung begründet ist, zeigen die Zahlen. Karwan fiel in der Liga bislang nur auf, als er gegen Leverkusen nicht eingewechselt werden konnte, weil er sein Trikot vergessen hatte. Ansonsten stehen in acht Spielen sechs Einwechslungen und eine Auswechslung. Von 1350 möglichen Minuten stand der Pole 293 auf dem Platz. Besser ist die Quote von Pinto, der in elf Spielen allerdings auch meistens eine Teilzeitkraft (426 Minuten) war. Es fehlt auf rechts ein konstanter Leistungsträger wie auf der linken Seite Bart Goor, der in allen 15 Partien (1318 Minuten) seine Rolle spielte.

«Ein solches Kaliber wie Bart Goor haben wir auf der rechten Seite nicht. Aber es ist auch eine Frage des Geldes», verteidigt Hoeneß seinen Sparkurs auf der rechten Außenbahn. Sieben Spieler durften sich auf rechts versuchen. Hartmann, Neuendorf, Marx, Pinto, Karwan, Marcelinho und Alves liefen bereits auf Deislers Spuren die Außenlinie entlang. Oftmals waren die Umstellungen der Taktik geschuldet, häufig aber auch das Ergebnis fehlender Alternativen. Weil es keine feste Größe auf rechts gibt, muss Stevens immer wieder umstellen. Laufwege ändern sich mit dem wechselnden Personal und einstudierte Flanken fehlen. Acht der gerade einmal 16 Toren wurden durch die Mitte eingeleitet.

«Wir müssen mehr über die Flanken spielen», predigt Stevens seit seinem Amtsantritt. Vielleicht hat Hertha zuletzt an der falschen Seite gespart.