Der italienische Startenor Enrico Caruso, mit dem ihn der Name verbindet, hätte die Geschichte nicht rührender darbieten können. Eine Geschichte von Blut, Schweiß und Tränen. Aus einem vierjährigen Klagelied in Moll aber machte Oliver Caruso, der neue Weltmeister im Gewichtheben aus Obrigheim, am Sonntagabend einen Triumphgesang in Dur mit anschließendem Lustspiel in diversen Warschauer Kneipen.
Dem Mann mit dem berühmten Namen gelang bei der WM in Warschau ein beeindruckendes Comeback: Mit 180 Kilogramm holte sich der deutsche Schwerathlet (Klasse bis 94 kg) Gold im Reißen, und mit 387,5 kg eroberte er Bronze im Zweikampf hinter dem Aserbaidschaner Nizami Paschajew und dem Bulgaren Milen Dobrew. Bei der anschließenden Feier verlor Caruso irgendwo in Warschau sogar sein Handy.
Er wird es locker verschmerzen, denn der 28 Jahre alte Berufssoldat erlebte nach dem Gewinn seines ersten WM-Titels 1998 (ebenfalls im Reißen) viele Enttäuschungen. «Ich stand kurz vor der Sportinvalidität», erzählt Caruso. «1998 hatte ich eine harmlose Verletzung an der Hüfte und wurde operiert.» Doch eine Sehne infizierte sich, und die nächste OP stand an.
Dann trainierte Caruso für den Saisonhöhepunkt des Jahres 2000: die Olympischen Spiele - und musste erneut einen Rückschlag hinnehmen. «Drei Tage vor dem Start musste ich wieder unters Messer, die ganze Arbeit war umsonst», erinnert sich der Baden-Württemberger. Besonders bitter: Die Koffer mit Carusos Ausrüstung standen schon in Sydney.
Sein Trainer Rolf Feser denkt mit Unbehagen an diese Zeit: «Oliver war zwar schon immer ehrgeizig, aber die Verletzung und alles andere drum herum waren ein schwerer Schock.»
Zu den körperlichen Leiden kamen private Probleme. Zur gleichen Zeit lag die Mutter seiner Frau Corinna im Sterben. Oliver Caruso: «Ich habe nur gedacht: Was soll der ganze Scheiß? Das war eine ganz schlimme Zeit.» Eine Zeit, die Caruso, seine Familie und seinen Verein, den SV Germania Obrigheim, ganz fest zusammenschweißte. «Ohne den Beistand hätte ich das nie geschafft. Das lange Vertrauen ist wichtig. Alle gaben sie mir Rückendeckung, alle glaubten an mich.»
Trainer Feser stand ihm immer bei. Seit Carusos 14. Lebensjahr «war ich für ihn da, er ist ein Teil meiner Familie», sagt Feser stolz. Er sieht sich aber nicht als Vater des Erfolges. «Oliver hat Gold geholt, weil er sich im richtigen Moment konzentrieren konnte. Das hat er in den Jahren gelernt. Er hat zwar seine Unbekümmertheit verloren, aber Kampfgeist und Konzentration gewonnen.»
Dass die Strapazen mit Weltmeisterschafts-Gold belohnt werden würden, hätte Caruso «nie zu träumen gewagt», denn die operierte Sehne schmerzte ihn auch bei den Welttitelkämpfen. Aber er biss sich durch - vielleicht nennen sie ihn auch deshalb den «Bär von Obrigheim».
Morgen kommt Caruso wieder nach Hause, im Januar beginnt dann die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 2004 in Athen, wo Oliver Caruso Gold gewinnen will. Der Sohn eines Sizilianers lacht und sagt: «Ich muss weitermachen, denn trotz des Namens kann ich mit dem Singen kein Geld verdienen.»