Rüstige, reiche Tennis-Rentner

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Jörg Allmeroth

Es ist fast wie früher, in Frankfurt am 22. November. Der Tenniszirkus hat seine Zelte in der Stadt aufgeschlagen, und Boris Becker feiert seinen Geburtstag auf dem Centrecourt - mit Tausenden Fans als Gratulanten. Es sind die alten Rivalen und Rituale. Obwohl die Bühne für die Party zum 35sten in der Ballsporthalle bescheidener ausfällt als in den großen Masters-Zeiten, spürt Seniorenspieler Boris Becker doch das vertraute Kribbeln.

«Ich werde bestimmt wieder eine Gänsehaut kriegen», sagt Becker, der am Geburtstag zur stimmungsvollen Abendshow gegen seinen Kumpel Henri Leconte antritt. Und wenn der Spieltermin mit dem gallischen Faxenmacher und das Zeremoniell mit dem Ausblasen der Tortenkerzen vorüber sind, wird die Nacht zum Tage gemacht - mit 200 eingeladenen Freunden in einem Nobelrestaurant.

Der Ernst früherer Tennistage ist vorüber für Boris Becker, für Michael Stich und Charly Steeb und für die fünf anderen Altstars, die an diesem verlängerten Wochenende zum ATP-Senior-Tour-Wettbewerb in der Bankenmetropole gastieren. Doch verlieren will keiner der Oldies in kurzen Hosen, aus jener vornehmen Tingeltruppe mit immerhin fünf Grand-Slam-Turniersiegern (Becker, Michael Stich, John McEnroe, Mats Wilander und Petr Korda): «Wir sind einfach so gepolt, dass wir nicht gerne geschlagen vom Platz gehen», sagt Becker.

Ganz besonders in den Duellen mit McEnroe, dem äußerst rüstigen Amerikaner, lebt die Rivalität wieder auf, die in legendären Momenten wie dem Davis-Cup-Match in Hartford begründet wurde. «Unglaublich fit» sei McEnroe noch immer, staunt Becker, der eine Serie deftiger Senior-Tour-Niederlagen gegen das rüpelnde Tennisgenie kassierte, ehe er bei einem Schaukampf während der diesjährigen US Open «endlich siegte».

Nach dem jähen Abgang des inzwischen 50-jährigen Schlachtrosses Jimmy Connors war McEnroe lange Zeit auch die Galionsfigur des Altherren-Circuits, den die Spielergewerkschaft ATP zusammen mit privaten Investoren vor knapp einem Jahrzehnt begründet hatte. Lange bevor Deutschland mit Becker und Stich zu einem attraktiven Markt für die auch kommerziell motivierte Traditionspflege wurde, feierten die Tennis-Opas bereits durchschlagende Erfolge in Amerika, Asien und im arabischen Raum. Besonders für McEnroe und Björn Borg waren die Revival-Duelle lukrativ: Pro Saison kassierten beide rund eine Million Dollar an Spiel- und Antrittsprämien - ganz abgesehen von anderen Schaukämpfen, die sich rund um die Turniere in den Kalender einpassen ließen.

Bei seiner strategischen Neuausrichtung als Unternehmer kann sich Becker ein Beispiel am Tausendsassa McEnroe nehmen, der sich in seinen vielfältigen Funktionen lohnend im Gespräch hält. Als Werbe-Ikone, die in Amerika mehr mit Reklame verdient als jeder aktive Tennisstar, als Kommentator für TV-Kanäle, als Partner und Gesellschafter von Ausrüstungsunternehmen und letztlich als Altherren-Star wirkt McEnroe wie eine Blaupause für ein mögliches Erfolgsmodell nach der aktiven Karriere.

«Einen sehr cleveren Burschen» nennt Becker seinen alten Weggefährten, der mit geschätztem Jahreseinkommen von fünf Millionen Dollar auch noch in den Top Fünf der aktiven Profis landen würde. Nicht nur McEnroe kommt die Wiederkehr ehemaliger Gladiatoren wie Becker, Stich, Wilander und Stefan Edberg wie gerufen. Das ganze Senior-Tour-Tennis stand auf der Kippe, aber jetzt ist wieder frisches Blut drin. An der ehemaligen Hackordnung der Artisten hat sich dabei nicht viel geändert: Becker und McEnroe sind die Häuptlinge, die pro Turnier mit Antrittsgagen um die 50 000 Dollar rechnen dürfen, dann folgt Stich als oberster Indianer, dann der Rest von Wilander über Emilio Sanchez und Steeb bis Korda.

Auf dem deutschen Markt hat Stichs Rückkehr das florierende Geschäft mit der Nostalgie kräftig belebt. Schon in Berlin war der ewiggrüne Klassiker als Schaumatch ein voller Erfolg, nicht zuletzt auch für Stich, der von Beckers Agentur BCI als Vertragspartner verpflichtet wurde und eine ordentliche Garantiesumme kassierte. Stich als sportliches Kontra - das fügt sich trefflich in die Absicht von Beckers Management, den «Roten Baron» wieder dauerhaft im reinen Tennisgeschäft zu verankern.

Senior-Tour

Alles über die Rückkehr der Tennis-Legenden unter: www.deltachampions.de