Ausgerechnet bei den Olympischen Spielen im heimischen Lillehammer sollen norwegische Langlauf-Legenden wie Björn Daehlie, Vegard Ulvang und der Eisschnellläufer Johann Olav Koss massiv Dopingmittel eingesetzt haben. So jedenfalls war die Kernaussage einer am Mittwochabend ausgestrahlten Sendung des Osloer Senders TV2.
Demnach soll der norwegische Skiverband vor den Spielen 1994 in Lillehammer große Mengen verbotener Medikamente, darunter anabole Steroide, bestellt haben. Weiter hieß es, während der Spiele seien 72 Liter des Ausdauermittels Hes aus offiziell eingekauften norwegischen Beständen spurlos verschwunden.
Die Sendung schlug in der Öffentlichkeit des skandinavischen Landes wie eine Bombe ein, denn sie traf das sportliche Selbstbewusstsein der Nordeuropäer an seinem empfindlichsten Punkt. Auf nichts ist man hier so stolz wie auf die zehn Goldmedaillen bei den Lillehammer-Spielen, bei denen die Langläufer ihre weltweit lange führende Stellung in der Welt eindrucksvoll untermauern konnten.
Seitdem fielen zwar Konkurrenten aus anderen Langlauf-Ländern wie Finnland, Italien und schließlich mit dem nach Spanien gewechselten Allgäuer Johannes Mühlegg gleich reihenweise Dopingtests «zum Opfer», niemals aber die Norweger.
Man trainiere einfach härter, lautete die auch von den Osloer Medien immer wieder vorgebrachte Standardantwort auf die von jenseits der Landesgrenzen immer wieder vorgebrachte Skepsis zu den Ursachen der verblüffenden norwegischen Überlegenheit.
Nun aber ließ das Dokumentarprogramm TV2 den Arzt und Antidoping-Experten Helge Oftebro berichten, er habe schon in den achtziger Jahren in Umkleideräumen der norwegischen Spitzenläufer gesehen, wie man sich dort systematisch verbotene Mittel gespritzt habe. Aber Oftebro nannte keine Namen und hielt seine Vorwürfe stets sehr allgemein. Vor allem wegen des Fehlens stichhaltiger Beweise schätzten alle Kommentatoren das vorgebrachte Material als eher dünn ein.
Unmittelbar nach Ausstrahlung der TV-Reportage veröffentlichten Daehlie und Ulvang zusammen mit Koss einen scharfen Protest gegen die gegen sie erhobenen Dopingvorwürfe. In der von allen Zeitungen als «Offener Brief» in voller Länge abgedruckten Erklärung hieß es, dies sei der «bisher schlimmste Versuch, eine Dopinganklage gegen norwegische Spitzensportler zu konstruieren». dpa