Trotz der Niederlage gegen die Niederlande gab es in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft einen Gewinner: Stürmer Fredi Bobic, der nach jahrelanger Abstinenz bei seinem Comeback im DFB-Team gleich einen Treffer erzielte. Doch der 31-Jährige hob deshalb nicht ab.
Freddy Krueger. Den Spitznamen hatten ihm die niederländischen Medien verpasst. Freddy Krueger und Fredi Bobic - der eine erschreckte als Killer im Horrorstreifen «Nightmare on Elmstreet» die Kinobesucher, der andere als Torjäger mit Killerinstinkt die niederländischen Fußballfans. Zweimal - mit Stuttgart und mit Dortmund - beförderte Bobic einst mit seinen Toren Feyenoord Rotterdam aus dem Europapokal. Einmal aus dem Uefa-Cup, einmal aus der Champions League. Am Mittwoch dann, beim 1:3 (1:1) der deutschen Nationalmannschaft im Test gegen die Niederlande, die Fortsetzung: Bobic erzielte in Gelsenkirchen per Flugkopfball das 1:1. Und die Holländer zitterten wieder, ehe der Stürmer nach 68 Minuten wegen einer Wadenblessur ausgewechselt wurde. Eine Erlösung offenbar für den Gast, der prompt 2:1 in Führung ging.
Freddy Krueger, der Untote. Bobic brach nach seinem 20. Länderspiel und dem ersten seit Februar 1998 (3:0 in Saudi-Arabien) in Erinnerung an seinen Spitznamen in Gelächter aus. Zu den Totgesagten hatte auch er gehört, nach seiner Rückkehr aus Bolton (England) im Sommer hatte er in Dortmund keinen Spind mehr, keine Rückennummer und keine Chance bei Trainer Matthias Sammer. Frustriert und verärgert wechselte er zum Bundesliga-Aufsteiger Hannover 96. «Ich war am Anfang sehr skeptisch», gibt Bobic zu. In neun Spielen schoss er aber acht Tore, und als Carsten Jancker verletzt absagen musste, beugte sich DFB-Teamchef Rudi Völler dem Druck der Öffentlichkeit und nominierte Bobic nach.
«Wenn ein Stürmer ein Tor macht und einige andere gute Szenen hat, ist man natürlich zufrieden. Er hat seine Chance genutzt», stellte Völler nun fest. Soll heißen: Bobic darf wiederkommen. Dabei hatte Völler zuvor von fehlender Perspektive gesprochen - was der Betroffene nicht nachvollziehen kann: «Wenn ich mit 25 so professionell gedacht und gearbeitet hätte wie heute, wäre es sicherlich besser gewesen für mich.»
Doch Bobic ist 31 Jahre alt und «nicht mehr so jung, dass ich jetzt völlig durchknalle». Obwohl die Konkurrenten Jancker und Miroslav Klose («Das Zusammenspiel mit Bobic hat für das erste Mal schon sehr gut geklappt») seit der WM im Formtief stecken und er einen «Riesenspaß» bei seinem Comeback gehabt habe, denke er nicht an die nächsten Termine der Nationalelf, nicht an die EM 2004 in Portugal und die WM 2006 in Deutschland, sondern «von Woche zu Woche. Nur das nächste Spiel ist entscheidend, das habe ich von Sammer gelernt», sagte er grinsend. Dass er von ihm sang- und klanglos ausgemustert worden war, hat Bobic nicht verarbeitet. «Es war eine große Befreiung - und ein Schuss Genugtuung war auch dabei, wenn man sieht, was alles passiert ist», sagte er.
Jetzt sieht alles anders aus. Bobic ist in bestechender Form, das finden auch Bayern-Aufsichtsratschef Franz Beckenbauer («Ich habe ihn noch nie so stark gesehen»), sein Arbeitgeber (Hannover will im Winter seinen Vertrag verlängern) und Stuttgarts Manager Rolf Rüssmann («Wir sind an seiner Verpflichtung interessiert»).
Begonnen hatte sein Abstieg in Dortmund mit seiner gegen Porto erlittenen Schulterverletzung. «Ich habe den großen Fehler gemacht, mich nach sieben, acht Spielen nicht sofort operieren zu lassen, sondern die Saison durchzuspielen. Dadurch habe ich mich selbst in ein Loch gezogen, aber ich wollte die Mannschaft nicht im Stich lassen.» Dankbarkeit im Fußball gebe es eben nicht - eine weitere Spitze in Richtung Sammer. Der ließ sich gestern nicht aus der Reserve locken: «Schön, sehr schön» - mehr sagte er nicht zu Bobics Comeback.
Wie der sich aus der Krise befreit habe? Bobic: «Es gibt kein Geheimnis, man muss einfach durch dieses Tal gehen. Dazu braucht es eine intakte Familie, gute Leute im Freundeskreis und im Umfeld.» Weiterentwickelt als Persönlichkeit habe er sich in dieser schweren Zeit, sehr gut getan habe ihm das halbe Jahr bei den Bolton Wanderers, «wo ich richtig abschalten konnte. Das war eine Wohltat.» Dann überwältigten ihn doch die Emotionen: «Es ist schon ein Wahnsinn, was passiert ist, wenn ich daran denke, was noch vor drei Monaten über mich alles gesagt und geschrieben wurde.»
Jetzt schreiben sie wieder - von Fredi Bobic, dem Torjäger mit Killerinstinkt.