Als sich Fußball-Bundesligist Hertha BSC vergangenen Mittwoch im GSP-Stadion von Nikosia auf das Zweitrunden-Hinspiel im Uefa-Cup vorbereitete, mischte sich ein älterer Herr mit Trainingsanzug und Brille unter die Journalisten. Er erkündigte sich nach Stürmer Ali Daei, obwohl der bereits Ende vergangener Saison Hertha verlassen hatte. Er fragte, wer eigentlich Luizao sei und schwärmte dabei vom Wetter. Nikosias Trainer Eugen Gerards wirkte wie ein Rentner, der im Süden seinen Lebensabend verbringt. Die Berliner Morgenpost sprach mit dem Holländer, der gestern mit seiner Mannschaft zum Rückspiel in Berlin landete.
Herr Gerards, ein Detail aus der Mannschaftsaufstellung von Hertha ist bereits durchgesickert: Ali Daei wird nicht stürmen.
Eugen Gerards: Jaja, ich weiß. Das wusste ich übrigens auch schon in Nikosia. Mich hat nur interessiert, wo der im Moment ist, weil er mir von Hertha in besonders guter Erinnerung war. Das ist wahrscheinlich falsch rübergekommen.
Ist das eine Masche, den Unwissenden zu mimen, den man unterschätzt?
Sagen wir es mal so: Man weiß, wie das Geschäft läuft. Ich bin nicht erst seit gestern dabei. Das Spiel gegen Hertha ist mein 38. Europacup-Einsatz. Da kennt man einige Tricks.
Wie haben Sie das 0:3 von Hertha in Bochum gesehen?
Gar nicht. Die Reise dorthin wäre zu weit gewesen und im Fernsehen lief es auch nicht.
Herr Gerards, Sie mimen schon wieder den Ahnungslosen.
Na gut, ich weiß natürlich, was in Bochum passiert ist. Wir haben jemanden hingeschickt, der das Spiel für uns beobachtet hat. Aber im Ernst: Mich interessiert der Gegner wirklich nur am Rande. Du musst zuerst deine eigene Bude aufräumen. Und da sieht es bei uns nicht gut aus. Wir haben so viele Ausfälle.
Huub Stevens klagt auch häufig über die vielen Verletzten.
Das kann man doch gar nicht vergleichen. Bei uns ist die halbe Mannschaft nicht dabei. Wir kommen mit 16 Spielern nach Berlin und ich habe auf der Ersatzbank zwei Jugendspieler. Wenn bei Hertha drei Mann fehlen, wird viel Theater gemacht. Dabei können die so etwas doch viel besser verkraften.
In der Meisterschaft läuft es trotzdem ganz ordentlich. Mit einem 3:0 gegen Alki FC hat Apoel die Tabellenspitze übernommen.
Danke, aber der Gegner war auch nicht besonders stark. Auf Zypern gelten andere Maßstäbe. Dort sind die Leute auch nicht so am Europapokal interessiert. Das hat man gegen Hertha gesehen, wo wir knapp 4000 Zuschauer hatten. Gegen Alki waren es 8000. Die Qualität ist bei uns nicht so gut, aber dafür gibt es andere Dinge, die besser sind.
Was meinen Sie damit?
Es ist das Leben außerhalb des Fußballs. Es ist das, was man Lebensqualität nennt. Ich habe vor 18 Jahren ein Angebot von Ofi Kreta bekommen und den Job bei Roda Kerkrade aufgegeben. In zwei oder drei Monaten ist der wieder zurück, haben damals alle gedacht. Dann habe ich meine Frau auf Kreta kennengelernt, eine schöne Wohnung gekauft und die Mentalität der Menschen angenommen. Man regt sich schnell auf, aber auch genauso schnell wieder ab.
Fehlt Ihnen der Ehrgeiz, der beispielsweise Ihren Landsmann Huub Stevens treibt?
Ehrgeizig bin ich auch, aber ich liebe die südländische Lebensart. Und ich laufe lieber bei 27 Grad in kurzen Hosen rum als zu frieren. Bei uns ist Fußball eine schöne Nebensache, in Deutschland hat man manchmal das Gefühl, es wäre eine schöne Hauptsache. Ich möchte nie mit Huub tauschen. Ich möchte mit keinem großen Trainer tauschen.
Sie ärgern lieber gelegentlich einen Favoriten.
Machen wir uns nichts vor. Europa ist für uns in diesem Jahr geschlossen. Wir sind extra einen Tag früher angereist, weil die Jungs von der letzten Uefa-Cup-Reise noch etwas haben sollen.
Nikosia ist eine geteilte Stadt mit einem griechischen und einem türkischen Teil. Schauen Sie sich die Reste der Berliner Mauer an?
Wir wollen eine Stadtrundfahrt machen und die Mauer anschauen. Es ist wichtig, dass die jungen Spieler das sehen. Schließlich gibt es wichtigeres als Fußball.