Es kommt nicht oft vor, dass ein brasilianischer Nationaltrainer ein Bundesliga-Stadion besucht. Um hochklassige Spieler zu beobachten, reicht meistens auch ein Inlandsflug. Und wenn man sich einen Europa-Legionär in der Ferne anschauen will, empfehlen sich spanische und italienische Reiseziele.
Für Herthas Spielmacher Marcelinho ist die Bundesliga deshalb ein Standortnachteil. In Südamerika registriert kaum jemand den 27-Jährigen. Marcelinho bleibt trotz konstant guter Leistungen draußen - und Luizao trotz enttäuschender Darbietungen drin. Obwohl der Weltmeister noch keinen Treffer erzielen konnte und in Berlin meistens auf der Bank sitzt, nominierte ihn Interims-Nationaltrainer Mario Zagallo neben den Bundesligakollegen Amoroso (Dortmund), Lucio, Franca, Juan (alle Leverkusen) und Ze Roberto (Bayern München) für das Spiel gegen Südkorea.
Luizao nahm die Nachricht ohne große Begeisterung auf. Der 26-Jährige befindet sich in einem Interessenskonflikt. Einerseits will er seinen Platz in der Selecao nicht verlieren. Auf der anderen Seite lässt sich die Nationalmannschaft derzeit nur schwer mit den Klubaufgaben vereinbaren. Das nächste Länderspiel findet am 20. November im elf Flugstunden entfernten Seoul statt, drei Tage vor der wichtigen Partie gegen Bremen.
«Die Berufung zeigt natürlich die nach wie vor vorhandene Wertschätzung für den Spieler, allerdings ist das auch eine schwierige Situation», sagt Dieter Hoeneß. Heute will der Manager mit Luizao darüber sprechen, ob ein freiwilliger Verzicht des Stürmers sinnvoll wäre. «Überseeflüge sind anstrengend und vielleicht nicht gut für jemanden, der hier noch den Anschluss sucht», erklärt Hoeneß, «andererseits könnte er in der Nationalmannschaft vielleicht sein Selbstvertrauen stärken. Deshalb müssen wir uns in Ruhe mit ihm über die beste Möglichkeit unterhalten.»
Dass Luizao nach wie vor von seiner Bestform weit entfernt ist, hätte sich Herr Zagallo beim gestrigen Training anschauen können. Hertha-Trainer Huub Stevens ließ vor dem morgigen Uefa-Cup-Spiel gegen Apoel Nikosia (17.30 Uhr, Olympiastadion) immer wieder Standardsituationen und Torschüsse proben, um die zuletzt mangelhafte Chancenverwertung zu verbessern. Luizao muss noch viel üben.