Beim Physiker stimmt die Chemie

| Lesedauer: 3 Minuten
Marcel Stein

Nach dem 5:0 in Schwenningen belegte der EHC Eisbären nicht nur zum fünften Mal in Folge Platz eins in der Deutschen-Eishockey-Liga (DEL) und stellte damit einen neuen Vereinsrekord auf. Mit 27 Punkten nach elf Spielen egalisierte er auch den Startrekord in der DEL seit Einführung der Drei-Punkte-Regel 1999, gehalten von den Berlin Capitals.

Um sich lange am Erfolg zu laben, dazu fehlte Oliver Jonas die Zeit. Zwar wurde der Torhüter des EHC einen Tag nach seinem ersten Shut-out (Spiel ohne Gegentor) in der DEL durch pausenlose Telefonanrufe an seine makellose Leistung erinnert. Aber eigentlich hat ihn das nur von seinen Aufgaben abgehalten. Nicht, dass der 23-Jährige sein Handy im Training immer auf dem Tor zu liegen hat. Er musste arbeiten, richtig arbeiten.

Die Frage liegt nah, was ein Eishockey-Torhüter anderes zu tun haben könnte, als sich in den Übungseinheiten nach dem Puck zu strecken. Viel, lautet die Antwort, zumindest was Oliver Jonas betrifft. Denn der diplomierte Physiker forscht an der Humboldt-Universität, um sich in etwa zwei Jahren Dr. Jonas nennen zu dürfen.

Der Neffe von Torhüter-Legende Helmut de Raaf hält sich mit seiner Uni-Karriere einen Weg offen, falls es im Sport nicht wie gewünscht klappen sollte. Derzeit läuft es für den Ersatzkeeper allerdings sehr gut beim EHC Eisbären. Nach elf Spieltagen stand er schon drei Mal im Tor, gewann jedes Mal. Überrascht? «Nein, überrascht bin ich nicht, aber zufrieden», sagt der gebürtige Neusser.

Zufrieden ist er nicht mit seiner Leistung, sondern damit, dass er überhaupt eingesetzt wurde. Schon während der Saisonvorbereitung sagte Trainer Pierre Pagé, dass der junge Mann etwa 20 Spiele bestreiten würde. «Das erzählen viele Trainer, aber halten es dann nicht», sagt Jonas, «bei Pierre braucht man keine Angst zu haben, nicht berücksichtigt zu werden.»

Ansprüche auf mehr Einsätze erhebt Jonas trotz seines guten Starts nicht. «Das ist nicht meine Art», sagt er. Es hat aber auch einen anderen Grund. Sein Verhältnis zu Stammtorhüter Richard Shulmistra ist ungewöhnlich gut. Beide sind bei Auswärtsfahrten gemeinsam auf einem Zimmer, sie verbringen privat viel Zeit miteinander. Ernsthaftes Konkurrenzdenken gibt es zwischen der Nummer eins und der Nummer zwei kaum. «Bei uns empfindet keiner Neid gegenüber dem anderen. Das würden wir sonst schnell merken», so Jonas. Es fällt ihm nicht schwer, hinter seinem Kollegen zurückzustehen: «Das hat viel mit Respekt zu tun, Richard ist der vielleicht beste Torhüter der in der ganzen Liga.»

Immerhin gibt es für Jonas noch die Ausweichmöglichkeit Crimmitschau, um Einsätze zu bekommen. Er ist zwar nicht begeistert, wenn er wie zuletzt am Freitag in der zweiten Liga für den Partnerklub auflaufen muss und dann sieben Tore kassiert. Motivationsprobleme hat er aber keine. «Zumindest nicht absichtlich. Aber einiges ist schon anders», sagt der Goalie in Bezug auf die Qualität des Teams.

Da macht es bei den Eisbären schon mehr Spaß. Zumal bei einem Shut-out in Crimmitschau wohl kaum jemand anrufen würde. Aber dann könnte er wenigstens in Ruhe an seinem Doktortitel arbeiten.