In der noch jungen Saison haben sie beim 1. FC Nürnberg die ganze Bandbreite der Gefühle, die der Fußball hervorruft, kennen gelernt. Mit der Auftaktpleite gegen Bochum (2:4) zog Ernüchterung ein. Nach weiteren Rückschlägen grüßte der Club in Runde fünf von Platz 17. Prompt wurde der Charakter des Teams in Frage gestellt, die Einkaufspolitik angeprangert und das Saisonziel (Platz 13) auf das gewohnte «Hauptsache drin bleiben» korrigiert. Jetzt, zwei Wochen und zwei Siege später, reisen die Franken mit breiter Brust in die Hauptstadt.
Die eher glücklichen Erfolge in Wolfsburg (2:0) und gegen Schlusslicht 1. FC Kaiserslautern (1:0) erlauben einen ungetrübten Blick in die Zukunft. «Wir werden in Berlin was holen», verspricht Trainer Klaus Augenthaler: «Wir haben die zweimal beobachtet. Das ist nicht die Hertha der letzten Saison, sie ist nicht so gefestigt. Da wir im Vorjahr schon ganz gut aussahen, warum soll es diesmal nicht klappen?»
Wobei er seine Zuversicht nicht nur aus Herthas Schwäche, sondern auch aus der neuen Stärke seiner Abwehr speist. Die spielt jetzt wieder wie der FC Bayern zu seiner Zeit und genau so, wie der Trainer Augenthaler es nie wollte - mit Ausputzer (Dusan Petkovic). Da der Rückfall in die Steinzeit des Fußballs von Erfolg gekrönt war und die Schießbude der Liga plötzlich geschlossen ist, soll das vorerst so bleiben. Allerdings bangt «Auge» neben Stürmer Cacau um seinen Libero (Prellung am Sprunggelenk). Fällt Petkovic aus, müsste Augenthaler den ehemaligen Herthaner Anthony Sanneh aus dem Mittelfeld zurückbeordern.
Doch bei den darbenden Franken (7,5 Millionen Euro Schulden) ist Improvisieren das Gebot der Stunde. Sportdirektor Edgar Geenen klagte neulich: «Selbst 50 000 Euro muss ich auf Raten zahlen.» Bezeichnend: Eine Pressemappe gab es diese Saison nicht, aus Kostengründen.