«Ackern und wühlen»

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Torge Horn

So hatte es sich Werner von Moltke vorgestellt: 9070 Zuschauer. Noch nie kamen hierzulande so viele Fans zu einem Volleyball-Match wie beim Frauen-Finale zwischen dem neuen Weltmeister Italien und den USA in der Berliner Max-Schmeling-Halle. Im Gespräch mit der Berliner Morgenpost zieht der Präsident des Deutschen Volleyball-Verbands (DVV) dennoch ein zwiespältiges Fazit der ersten WM in Deutschland.

Herr von Moltke, nach 17 Tagen gingen die Titelkämpfe am Sonntag zu Ende. Was ist für Sie die positivste Erkenntnis?

Werner von Moltke: Von der Organisation und dem Interesse mit 280 000 Zuschauern war es eine tolle WM, der Weltverband hat uns gelobt. Volleyball wird in der Öffentlichkeit jetzt wahrgenommen.

Dennoch wird sich Ihr vor einem halben Jahr formuliertes Ziel, Volleyball aus der Nische einer Randsportart herauszubekommen, wohl nicht erfüllen. Von der Endrunde in Berlin wurde im deutschen Fernsehen keine einzige Partie live übertragen, obwohl der DVV 300 000 Euro Produktionskosten zahlte.

Mit dem ZDF, das die Rechte an der Endrunde hatte, war vereinbart, dass bei deutscher Beteiligung gesendet wird. Aber dass das Finale nicht übertragen wurde, ist ein unhöflicher Akt. Man konnte ja kaum erwarten, dass Deutschland ins Endspiel kommt. Das wäre wie das Wunder von Lourdes gewesen.

Ins Finale nicht, aber zumindest unter die besten Acht, wie der Bundestrainer gefordert hatte. Sie selbst sprachen sogar von Bronze.

Keine Frage, von den sportlichen Leistungen unserer Mannschaft sind wir enttäuscht. Platz zehn im eigenen Land ist zu wenig.

Woran lag's?

Das Team war nicht topfit, bei Auswechslung und Taktik gab es Fehler. Das haben mir Fachleute gesagt, zum Beispiel Bundesliga-Trainer.

Eine vernichtende Kritik an Bundestrainer Hee Wan Lee.

Er bringt den Mädchen gute Technik bei. Aber zum Volleyball gehört mehr. Wir werden uns jetzt zusammensetzen, um die Fehler zu analysieren. Wir können uns eigentlich keinen neuen Trainer leisten. Andererseits wird es mit mir keine Schleppertaktik geben. Ich werde nicht zehn Jahre lang eine Fehlentscheidung durchschleppen.

Spielerinnen haben sich über die mangelnden Sprachkenntnisse von Lee beklagt.

Sicher kann er auf deutsch keine Romane lesen und sich nicht episch ausdrücken. Aber für Anweisungen am Spielfeldrand reicht es.

Die Gründe für die sportliche Misere liegen tiefer. In Deutschland beherrscht kaum eine Spielerin Sprungaufgaben. Und durch die Rücktritte von Sylvia Roll, Tanja Hart und Micky Dömeland wird die Situation für die Nationalmannschaft nicht einfacher.

Die Mädchen müssen sagen: Wir wollen zu Olympia und dafür werden wir uns zerreißen. Viele aus der kubanischen Mannschaft kommen aus Slums, die ackern und wühlen täglich, trainieren wie die Bekloppten. Dem Nachwuchs in unserer Wohlstandsgesellschaft ist das schwer vermittelbar. Es liegt an den Spielerinnen selbst.

Auch das Niveau der Frauen-Bundesliga ist bescheiden. Vier Vereine gingen vergangene Saison pleite. Es fehlt an Sponsoren. Doch ohne sportlichen Erfolg kein Fernsehen, ohne Fernsehen keine Sponsoren.

Durch die WM gab es vielversprechende Sponsorenkontakte, Namen will ich noch nicht nennen. Für 1,5 Millionen Euro könnte man zwei starke neue Teams gründen. Die müssten 25 Stunden wöchentlich trainieren, erstklassige Trainer und Ausländer holen. Italien muss unser Vorbild sein.

Sie haben hohe Ansprüche. Doch der Verband hat durch die WM kein Geld mehr. Wenn Sie weiter gegen Windmühlen ankämpfen, schmeißen Sie Ihren Job irgendwann hin?

Ich habe immer große Ziele, egal, welche Aufgabe ich übernehme. Ich gehe mit dem Anspruch heran, dass ich irgendwann Olympiasieger sein will. Das wissen die Leute. Wenn keiner mitzieht, soll meinen Job ein anderer machen.