Am Ende eines zähen Regentages in New York wurde sie auf den fernen und lauten Außenplatz 18 verbannt, gleich neben die zentrale Müllverladestelle. Doch nach einem fabelhaften Kampf, nach einer erfolgreich überstandenen Tennis-Achterbahnfahrt beim 5:7, 6:2, 7:5-Sieg über die österreichische Favoritin Barbara Schett, darf Martina Müller nun zur Belohnung auf die ganz große US Open-Bühne: Gegen Titelverteidigerin Venus Williams winkt der kleinen Fighterin in Runde drei im Arthur-Ashe-Stadion das faszinierendste und aufregendste Spiel ihres Lebens.
«Es wird ein Supererlebnis für mich», sagte die 19-Jährige, die mit Mumm und Mut auch der zwei Köpfe größeren Weltranglisten-Zweiten Paroli bieten will, «ich gehe nicht auf den Platz, um mich verprügeln zu lassen.» Die pfiffige Hannoveranerin, zweifellos das größte Talent des deutschen Damentennis, rackerte bis zum Umfallen, ehe ihre Schwerstarbeit endlich wieder einmal mit einem Erfolg mit Ausrufezeichen belohnt wurde. «Martina war nach vielen knappen Niederlagen sehr verunsichert. Sie war ziemlich am Boden und hatte ihren Spirit verloren», sagte Papa Reinhard Müller, der als Trainer die Karriere der Tochter seit Jahren sanft und behutsam und gar nicht wie der typische Tennis-Vater in die richtigen Bahnen lenkt.
Fast alle wichtigen Matches hatte die ehrgeizige Nachwuchsspielerin zuletzt unglücklich verloren - ob bei den nationalen WTA-Wettbewerben in Berlin und Hamburg, ob im Fed-Cup-Match auf Mallorca im Juli, ob bei den French Open oder in Wimbledon. «Ich bin mit hängenden Schultern nach New York gekommen, habe mir gar nicht viel ausgerechnet», so Martina Müller, «deshalb ist dieser Sieg wie eine Erlösung für mich.» Doch in den zwei Stunden und sechs Minuten im US Open-Hinterhof durchlitten Tochter Müller, Papa Müller und der Rest der deutschen Kolonie alle nur denkbaren Höhen und Tiefen.
«Sie hat sich diesen Sieg wirklich verdient», sagte Bundestrainer Markus Schur, «das ist auch ganz, ganz wichtig für das ganze deutsche Damentennis.» Schliesslich muss Schur schon jetzt mit immer weiter zusammengestrichenen Etats versuchen, neue Stars in den Zeiten nach Steffi Graf und Anke Huber zu finden und damit Anschluss an die enteilte Weltspitze herzustellen.
Außer Müller hatte in New York auch noch Anca Barna die zweite Runde erreicht, doch dort war mit einer 1:6, 4:6-Niederlage gegen Chanda Rubin Endstation. Mit Martina Müller und anderen Nachwuchsspielerinnen wie Scarlett Werner oder Bianka Lamade hat Schur aber Faustpfände für eine bessere Tennis-Zukunft in der Hand. Müller hat nun ein großes Abenteuer vor sich - die Verabredung mit der einzigartigen Venus Williams: «Es ist ein Spiel, das mich nur stärker machen kann. So eine Erfahrung ist unbezahlbar», sagt sie.