Wendell Alexis ohne Alba: Erinnerungen tun weh

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Dietmar Wenck

Urplötzlich brach beim Training der deutschen Basketballer im RCA Dome in Indianapolis ein großes Hallo aus. Die Aufregung galt einem Amerikaner, der die Übungsstätte betreten hatte. Aber Wendell Alexis, mit dem Team der USA Bronzemedaillen-Gewinner bei der WM 1998, war nicht gekommen, um die Taktik der Deutschen auszuspionieren und sie seinen Landsleuten zu verraten. An seiner Brust prangte ein Ausweis mit der Aufschrift «Media» - Alexis ist bei der WM als Gast-Autor der Berliner Boulevardzeitung «BZ» akkreditiert.

Es gab so viel zu erzählen, dass Bundestrainer Henrik Dettmann die Mannschaft sogar ermahnte, dass das Training noch nicht zu Ende sei. Alexis traf viele Spieler wieder, mit denen er zusammen in den vergangenen sechs Jahren bei Alba Berlin in der Bundesliga gespielt hatte. Gemeinsam mit Henrik Rödl, Marko Pesic, Mithat Demirel, Stefano Garris und Jörg Lütcke hatte er im Mai zum sechsten Mal die deutsche Meisterschaft gewonnen. Mit einigen anderen Nationalspielern, die inzwischen nicht mehr in Berlin sind, hatte er einst ebenfalls für Alba auf dem Feld gestanden. Im vergangenen Juli hatte der Verein dem inzwischen 38-Jährigen mitgeteilt, dass es keine gemeinsame Zukunft geben werde. Man könne ihn nicht mehr bezahlen. Und Alba wolle eine neue Mannschaft zusammenstellen.

Alexis, der seit 1986 durch Europa zieht, ist Profi genug, um zu wissen, dass mit einer solchen Entscheidung irgendwann zu rechnen war. Aber seine Familie und er fühlten sich wohl in Berlin, wohler als bei all seinen früheren Arbeitgebern. Er wäre gern geblieben. «Es war ein spezielles Gefühl gewachsen über die Jahre, das Gefühl, mit Alba weiter etwas zusammen machen zu wollen», sagt er.

Nicht das Ende habe ihn überrascht, meint Alexis, sondern wie es vollzogen wurde. «Ich hatte dem Verein Vorschläge gemacht, wie es weitergehen könnte. Eine Idee war, noch ein bis zwei Jahre weiterzuspielen und nebenher beim TuS Lichterfelde als Trainer einzusteigen», sagt er, «und später vielleicht Headcoach von Alba zu werden.» Aber am Ende der Saison habe es darüber nicht einmal ein Gespräch, überhaupt keine Diskussion gegeben. «Die Tür wurde geschlossen, und ich war draußen.»

Alexis hat die Zeit seitdem genutzt, sein Leben neu zu ordnen. Er hat an seinem Haus in Hillsborough (New Jersey) gearbeitet, in dem jetzt die Familie sesshaft werden wird. Der Profi aus dem New Yorker Stadtteil Brooklyn wird die nächsten Jahre bei seinen Auslandsengagements ohne sie auskommen müssen: «Meine Frau mag nicht mehr mit mir herumziehen.»

Dass er nach Europa zurückkehrt, hält er für wahrscheinlich. Angebote gab es schon, nur noch nicht die richtigen. Am liebsten wären ihm Italien oder die Bundesliga. Was er später machen will, weiß er noch nicht genau - vielleicht Coach, vielleicht Scout oder etwas ganz anderes. «Noch will ich spielen und nicht den Eindruck machen, als würde ich schon meine Karriere nach der Karriere planen.»

Einmal wird Alexis zumindest noch nach Berlin zurückkehren, um sich von den Fans zu verabschieden. Die haben ihn verehrt, wegen seiner Konstanz und Professionalität, wegen seiner weit über 5000 Punkte, die Alba viele wichtige Siege sicherten, wegen seiner immer ruhigen Art, die ihm den Namen «Iceman» eintrug. Das ist nun ein kleines Stück deutscher Basketball-Geschichte. Seit Wendell Alexis Berlin im Juni verließ, hat sich von Alba niemand mehr bei ihm gemeldet, außer Henrik Rödl, der eine E-Mail geschickt hat.

Die Trennung nach sechs erfolgreichen Jahren - war das für Alba Berlin nur das Ende einer Arbeitsbeziehung? Alexis antwortet ohne zu zögern: «So fühlt sich das an.»