Eine WM im Verborgenen

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Dietmar Wenck

Der junge Mann an der Rezeption des Hyatt Regency kommt mächtig in Fahrt. Ja, natürlich sei er ein großer Basketball-Fan, behauptet er. Wie überhaupt alle in Indianapolis, der Heimat der Indiana Pacers. Man sagt, dort gingen die Menschen mit einem Ball ins Bett. Er schaue sich so häufig wie möglich NBA-Spiele an, und die beste Liga der Welt - nun ja, sie sei ohnehin der Traum aller jungen Männer, die einmal einen Basketball in die Hand genommen haben. Wer weiß, wenn er ein bisschen größer geworden wäre?

Die Weltmeisterschaft, die in der vergangenen Nacht in seiner Geburtsstadt begann, erwähnt der Boy erst auf Nachfrage. Dabei trägt er doch einen WM-Werbebutton an seinem Jackett. Der Tresen ist flächendeckend mit Flyern bestückt. Überall in der Stadt hängen Schilder, die auf das freudige Ereignis hinweisen. «One planet, one title», so lautet der Slogan der Titelkämpfe. Der «Indianapolis Star» ist am Mittwoch mit einer 56-seitigen Beilage zur WM erschienen.

Oh, ja, das US-Team sei sehr stark, beeilt sich der junge Mann lobend zu erwähnen, Reggie Miller und Jermaine O'Neal von den Pacers seien auch dabei und «sie werden kämpfen». Von Begeisterung allerdings ist bei diesen Worten nur noch wenig zu spüren.

Das geringe Interesse passt ins Stadtbild. Bei der Eröffnungsfeier der Weltmeisterschaft auf der Pan American Plaza waren die Journalisten gegenüber den neutralen Besuchern deutlich in der Überzahl. Skeptiker fürchten, dass auch die beiden WM-Hallen, der bei Basketballspielen 32 000 Zuschauer fassende RCA Dome und das Conseco Fieldhouse (18 345), Heimstatt der Indiana Pacers, nicht gerade aus den Nähten platzen werden.

Im RCA Dome tritt im Herbst und Winter das American-Football-Team der Indianapolis Colts an, und die Halle ist immer ausverkauft, dann passen 60 000 Fans hinein. Für die Basketballspiele wurde das Fassungsvermögen sicherheitshalber durch Vorhänge stark dezimiert. Wenn die Pacers im Conseco Fieldhouse auflaufen, ist die Arena durchschnittlich mit 16 000 Besuchern gut gefüllt. Bei den WM-Spielen der USA wird mit der Hälfte gerechnet - ganz zu schweigen von solchen prickelnden Partien wie Venezuela gegen Neuseeland.

Auch Florian Wanninger, dem Kommunikations-Chef des Weltverbandes Fiba, ist nicht ganz wohl bei seiner Vorausschau. «Die Amerikaner können wenig mit einer Weltmeisterschaft anfangen», sagt er, «das Format ist ihnen fremd. Olympische Spiele, die NBA und die höchste College-Liga NCAA - das sind ihnen Begriffe. Aber eine WM?» Wozu braucht man so etwas überhaupt, wo doch die Amerikaner den Sieger der NBA-Saison etwas unbescheiden als «World-Champion» küren?

Und schließlich ist da noch die Sache mit dem Team, das den viermaligen Weltmeister bei der ersten WM im eigenen Land vertritt. Die ganz großen Stars haben schlicht keine Lust mitzuspielen. Von dritter Wahl ist die Rede. Der sonst so smarte Wanninger sagt dazu ungehalten: «Bullshit. Wir sollten aufhören, über die Spieler zu sprechen, die nicht hier sind.»

Doch genau darüber wird debattiert. Da hilft der Hinweis wenig, dass alle zwölf US-Spieler Leistungsträger in ihren NBA-Mannschaften sind. Jeder von ihnen wäre bei allen anderen WM-Teams der Star, ob Michael Finley von den Dallas Mavericks, Paul Pierce (Boston Celtics) oder Ben Wallace (Detroit Pistons). Der beste Rebounder der Liga hat in seiner Wut über die Geringschätzung angekündigt: «Wir werden die anderen Teams verprügeln.» Ob es das ist, was die Leute sehen wollen?

Das nächste Prügelopfer, in der Nacht zum Samstag (2 Uhr/ARD), wäre übrigens das deutsche Team.

Basketball-WM

Die WM in Indianapolis im Internet unter: www. 2002worldbasketball.com