Der Star, der im Schatten steht

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Marcel Stein

Man darf gespannt sein, was sich die Marketingagentur von Ronald Rauhe am Montag einfallen lässt. Denn eigentlich hat sie ihr Reservoir an Superlativen zur Charakterisierung ihres Schützlings schon vor sechs Wochen aufgebraucht. Rauhe befand sich noch auf dem Rückweg von der EM aus Ungarn, als bereits Mitteilungen in Umlauf waren, auf denen zu lesen stand: «Ronald Rauhe Superstar». Als Grundlage für diese forsche Aussage dienten zwei Gold- und eine Silbermedaille.

Seit gestern kämpft der 20-jährige Berliner um Weltmeisterehren. Neben Rauhe im K2 überstanden auch alle anderen deutschen Boote sicher ihre Vorläufe bei der Kanu-WM über 500 m und 1000 m. Holt Rauhe nun dort die erwarteten Titel, bezeichnet ihn seine Agentur vielleicht bald als «Megastar».

Ronald Rauhe hingegen ist realistisch genug, um zu wissen, dass man mit seinem Namen nicht unbedingt vertraut sein muss. Trotz seiner Leistungen, die den Ansprüchen an einen Sportstar recht nahe kommen. Rauhe ist sechsfacher Europameister, Doppelweltmeister und Olympiadritter von Sydney. Aber er ist Kanute. Deshalb «tue ich mich mit der Bezeichnung Superstar schwer», sagt der Mann aus Tegel. «Denn das ist jemand, der mehr in der Öffentlichkeit steht.» Einer wie Michael Schumacher oder wie die vielen Fußballer, die «als Götter» behandelt werden. Als Kanute geht er mit solchen Dingen eher behutsam um. «Wir wissen, dass wir nicht so im Mittelpunkt stehen und unsere Titel nicht so viel zählen.»

Seinen Erfolg genießt er trotzdem. Neben der für ihn wichtigsten Disziplin, den olympischen 500 m im K2 mit Partner Tim Wieskötter (Potsdam), ist Rauhe auch Weltmeister im 200-m-Sprint im Einer. Er bezeichnet sich gern als «den schnellsten Mann der Welt» und seine Augen leuchten dabei. Und er will nicht nur diese beiden Titel in Sevilla verteidigen, sondern den zweiten Platz aus dem Vorjahr im K2 über 200 m überbieten.

Die Siege haben Rauhe auch einige Freiheiten verschafft. Er unternimmt gern viel mit Freunden, rast mit seinem Motorrad über die Pisten und schreckt im winterlichen Gebirge vor keiner Abfahrt zurück. Das hat ihm viele Diskussionen mit seinen Trainern eingebracht, sie halten ihn für etwas unvernünftig.

Normalerweise dulden die Übungsleiter ein derartiges Verhalten nicht. Aber sie lassen ihn gewähren. «Sie haben gemerkt, dass es nichts bringt, mich davon abzuhalten. Ich tue, was mir Spaß macht», erklärt er selbstbewusst. Vielleicht haben es die Trainer aber auch nur aufgegeben, auf ihn einzureden, weil er derzeit tatsächlich der Star ist. Wenn auch einer, den kaum jemand kennt.