Obwohl in Dortmund und Schalke 04 gepunktet wurde, kann Hertha mit dem Saisonstart nicht zufrieden sein. Mit drei Unentschieden und drei erzielten Toren liegt die Mannschaft hinter den anvisierten fünf Punkten und den eigenen spielerischen Ansprüchen.
Nachdem die Trainer das Podium der Pressekonferenz verlassen hatten, mussten die Journalisten in der Arena AufSchalke noch einen Moment warten, bis sich Dieter Hoeneß den Fragen stellte. Der Manager von Fußball-Bundesligist Hertha BSC ließ sich im Medienraum ein Gezapftes bringen und spülte mit einem kräftigen Schluck die Enttäuschung über das 0:0 gegen Schalke 04 runter, bevor er nach dem Feierabendbier seine nüchterne Einschätzung lieferte: «Ich bin von unserem Saisonstart nicht enttäuscht, aber auch nicht begeistert.»
Hoeneß demonstrierte nach außen die Gelassenheit, die zu einem so frühen Zeitpunkt der Saison angebracht ist. Dabei dürfte es in seinem Inneren anders ausgesehen haben. Schließlich war es der Manager selbst, der vollmundig und selbstsicher ein anderes Ziel für den Saisonstart ausgegeben hatte. Fünf Punkte nach drei Spieltagen hatte Hoeneß öffentlich eingefordert.
Die Realität sieht wieder einmal anders aus. Nur drei Zähler hat der Hauptstadtklub mit dem großen Ziel Champions-League-Qualifikation bisher eingefahren. Nach dem guten 2:2 in Dortmund, dem schwachen 1:1 bei der Heimpremiere gegen den VfB Stuttgart und der niveauarmen Nullnummer beim «Mitkonkurrenten um die vorderen Plätze» (Hoeneß) hechelt Hertha bereits wieder den eigenen Ansprüchen und der Konkurrenz hinterher. «Wir haben noch nicht verloren», sagt Hoeneß. Recht hat er, aber Hertha hat im Gegenzug auch noch nicht gewonnen.
Dabei sollte doch alles ganz anders und vor allem viel besser werden. Mit neuen Spielern und vor allem durch den neuen Trainer. Mit dem Holländer Huub Stevens, der bei Schalke 1997 den Uefa-Cup gewann und zweimal Pokalsieger (2001/2002) wurde, sollte die von den Kritikern unter Vorgänger Jürgen Röber vermisste Siegermentalität endlich Einzug halten und mit dem Schwung kombiniert werden, den Interimscoach Falko Götz am Ende der vergangenen Spielzeit ins Team gebracht hatte.
Soweit die Theorie. Die Praxis sieht gegenwärtig noch anders aus. «Was wir in Schalke gezeigt haben, war für unsere Ziele einfach zu wenig», sagt Mittelfeldspieler Stefan Beinlich, der nach überstandener Meniskusquetschung als Aushilfskapitän in die Starformation zurückkehrte, und spricht damit den enttäuschten Fans aus der Seele. Von dem Selbstbewusstsein der Saisonvorbereitung war beim Ligapokal-Gewinner nichts mehr zu sehen. Stattdessen präsentierte sich Hertha zurückhaltend und ängstlich.
Stevens ließ in seinem ehemaligen Revier mit Alex Alves nur eine Spitze stürmen. In der Abwehr wurde mit einer Viererkette gemauert. Das Ergebnis war ein unansehnliches Remis und eine ernüchternde Erkenntnis: Hertha hat die Chance vertan, die Punktverluste gegen Stuttgart auszugleichen. Und Stevens hat bereits nach drei Spieltagen einen Teil des Kredites verspielt, mit dem er angetreten ist.
Der Holländer weiß nur zu gut, dass die Vorschusslorbeeren gerade in Berlin besonders schnell verwelken. «Wir müssen weiter in Ruhe arbeiten, auch wenn ich die Zeit dafür nicht bekomme», sagt er und kennt den Umstand, dass gerade in der Hauptstadt kein Platz für lange Eingewöhnungsphasen und Experimente ist. Erfolge wollen die Leute sehen, attraktiven Angriffs-Fußball sowieso.
Vielleicht kommt da das Pokalspiel am Sonntag gegen Holstein Kiel gerade recht. Beim Regionalliga-Schlusslicht hat der Bundesliga-Neunte Gelegenheit, das verrutschte Visier zu justieren. Bisher reichte es nur für drei Treffer, wobei Goor als einziger Offensiv-Vertreter neben Neuendorf und Friedrich erfolgreich war.
Um größere Probleme zu lösen, bleibt bis zum Liga-Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach am 10. September Zeit. Alves wird eine Woche pausieren, Abwehrspieler Nene mit seinem Muskelfaseriss mindestens zwei Wochen ausfallen. Dazu hat Marcelinho (Hoeneß: «Er ist nicht der alte, aber ich denke, er kommt besser in Tritt») Gelegenheit, endlich seine Form zu finden. Und vielleicht holt bis dahin ja endlich auch Weltmeister Luizao seinen Trainingsrückstand auf.