Hundert Prozent plus x

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Sebastian Schlichting

Am Freitagabend liefen im Spiel der Fußball-Oberliga gegen Lok Stendal die Schlussminuten. Tennis Borussia führte 5:1. Die Fans waren mit ihren Gedanken schon etwas weiter und skandierten «6:0». Adressat war der FC St. Pauli, der fast zeitgleich mit diesem Ergebnis beim VfB Lübeck unterging.

Von solchen Zahlen lässt sich Peter Ränke nicht beirren. «Wir sind krasser Außenseiter gegen eine hochmotivierte Mannschaft», sagt der TeBe-Trainer vor dem morgigen DFB-Pokalspiel gegen Zweitligist St. Pauli (19.30 Uhr, Mommsenstadion). Einen hochmotivierten Eindruck machten die Hamburger allerdings in dieser Saison bisher selten. Ihre Bilanz: null Punkte, 1:14 Tore.

Nur die Hypothek von sechs Minuspunkten des SSV Reutlingen bewahrt den Bundesliga-Absteiger vor dem Sturz ans Tabellenende. Nach dem zweiten Spieltag musste der einst gefeierte Dietmar Demuth seinen Hut nehmen. Co-Trainer Joachim Philipkowski betreut die Mannschaft. Aber gerade dieser schlechte Start könnte für TeBe gefährlich werden.

«Die wollen sich ihr Selbstbewusstsein zurückholen», meint Ränke. «Es gibt für uns keinen Grund zu denken, sie wären nur mit sich beschäftigt und würden den Pokal an sich vorbeirauschen lassen.» Der Veilchen-Coach erwartet von seiner Truppe vor allem zwei Dinge: Kampf und Einsatz. 100 Prozent plus x solle jeder geben. Torjäger Shergo Biran, der in fünf Spielen sieben Mal traf, ist genau wie Mittelfeldspieler Jan Walle leicht angeschlagen. Aber beide werden wohl auflaufen.

Dagegen fehlt Marcus Rasche mindestens ein halbes Jahr. Er zog sich vor einer Woche gegen die Reinickendorfer Füchse einen Kreuzbandriss zu. «Das ist unheimlich bitter für ihn», meint Ränke betroffen über den in den ersten Spielen sehr starken 20-Jährigen. Wie so viele Oberligisten rechnet auch TeBe mit jedem Euro. Die für die erste Pokalrunde garantierten 50 000 Euro sind eine ansehnliche Summe. Für die nächste Runde gibt es schon das Doppelte. Aber so weit will bei den Charlottenburgern niemand denken. Auch die Mannschaft konzentriert sich voll auf St. Pauli: Eine Siegprämie ist noch nicht ausgehandelt worden.

Für Sven Meyer ist das morgige Spiel «ein kleines Revival». Wieder Mommsenstadion, wieder DFB-Pokal - wie in der Saison 1992/93, als die Amateure von Hertha BSC ins Finale stürmten. Die beiden unvergessenen Erfolge gegen Hannover 96 (4:3 nach 0:2-Rückstand) und den 1. FC Nürnberg (2:1) wurden in eben diesem Stadion gefeiert. «Es ist wieder Anstoß um 19.30 Uhr, das Flutlicht geht an und dann geht's los», steigt auch beim erfahrenen Abwehrspieler langsam die Vorfreude. Der Rahmen wird etwas kleiner sein als damals, aber auf 2500 Fans hofft man beim Oberliga-Siebten.

Meyer hat den Status Pokalheld bereits sicher, für viele andere ist es der erste Auftritt auf der nationalen Fußball-Bühne. «Besonders für die persönliche sportliche Weiterentwicklung der jungen Spieler ist das sehr wichtig», sagt Ränke. Für ihn ist es das zweite Spiel im DFB-Pokal. In der Saison 1998/99 verlor er mit den Amateuren von Hansa Rostock 0:2 gegen den MSV Duisburg. Sollte TeBe die Überraschung gelingen, wird Ränke das Spiel sicher nachhaltiger in Erinnerung bleiben.