Sabine Braun hatte sich auf ihre Abschiedsvorstellung penibel vorbereitet. Kaum war der Siebenkampf mit dem von ihr so gefürchteten 800-Meter-Lauf beendet und die erhoffte Silbermedaille gesichert, zog sie sich ein weißes T-Shirt mit blauer Schrift über. «Dank dem tollen Publikum» stand dort in großen Lettern.
Diese Geste war viel mehr als nur platter Gag, sondern sie kam von Herzen. Immer wieder benutzte Sabine Braun das Wort «gigantisch», wenn sie den letzten Siebenkampf ihrer nunmehr 20 Jahre währenden Karriere als Leistungssportlerin beschreiben sollte.
Selten hat die Wattenscheiderin in diesen beiden Jahrzehnten ihre Emotionen nach außen getragen. Nach außen wirkte sie meist verschlossen, bisweilen auch zickig. Doch seit sie sich endgültig entschlossen hatte, bei der Europameisterschaft im eigenen Land ihre Karriere zu beenden, schien sie wie befreit. Viel leichter fällt es ihr plötzlich, über sich als Sportler aber auch als Mensch zu sprechen. Und so beschreibt sie sich als «zielstrebig und selbstbewusst und mit der Fähigkeit ausgestattet, sich auf den Punkt zu konzentrieren».
Von diesen Qualitäten konnten sich Freitag und Samstag noch einmal die jeweils mehr als 45 000 Zuschauer im Münchner Olympiastadion überzeugen. Mit 6434 Punkten gelang der 37 Jahre alten Sabine Braun im Olympiastadion noch einmal ein beachtlicher Siebenkampf, der vor allem am zweiten Tag mit 6,50 m im Weitsprung und 51,23 m im Speerwurf die herausragenden Glanzpunkte hatte. «Das war wirklich ein perfekter Abschluss. So habe ich mir das erträumt. Das war ganz sicher mein letzter Siebenkampf. Und wohl auch mein letzter Wettkampf überhaupt, auch wenn mich meine Trainer noch überreden wollen, weiter im Weitsprung zu starten. Doch daran denke ich im Moment wirklich überhaupt nicht», sagte sie.
So ganz genau kann sich Sabine Braun aber auch noch nicht ausmalen, wie sich ihr Alltag künftig gestalten wird. «Eigentlich kann ich mir noch gar nicht vorstellen, wie es sein wird, nicht mehr zum Training zu gehen», räumte sie offen ein.
Schon seit einem Jahr ist sie auf einer halben Stelle im Olympiastützpunkt Bochum-Wattenscheid Projekten dieser Art und der Verwaltung tätig. Dabei hofft sie, dass der Dienstposten auf eine bald auf eine volle Stelle erweitert wird. «Und 2004 wird der Posten des Sportlichen Leiters am OSP frei», nennt Sabine Braun ihre erhoffte Perspektive.
Aussichten ganz anderer Art hat derweil die Siebenkampfsiegerin Carolina Klüft aus Schweden. Als Sabine Braun vor 20 Jahren ihren ersten von insgesamt 66 Siebenkämpfen bestritt, war die Blondine aus dem Norden noch nicht einmal geboren. In diesem Jahr nun mischte sie die Mehrkampfszene eindrucksvoll auf. Erst vor drei Wochen wurde die 19 Jahre alte Athletin in Kingston/Jamaika Weltmeisterin der Juniorinnen, jetzt triumphierte sie in München.
Aber sie wusste auch ihren Sieg im Vergleich zur sportlichen Lebensleistung der zweimaligen Weltmeisterin Braun einzuordnen. Klüft sagte: «Sabine ist ein viel größerer Champion als ich.»