Schultz im Regenbogen-Himmel

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Frank Quednau

Der deutsche Sport badet in guten Nachrichten. Auf der nimmermüden Suche nach neuen Stars, die uns durch Zeitungs-Überschriften eins aufs Auge schlagen, sind wir in kurzer Zeit einen gehörigen Schritt weiter gekommen.

Boris Becker (34) gewann in der Tennis-Bundesliga im Doppel (mit Jan Simerink) für den TC Blau-Weiß Sundern. Ob Sauerland oder Leimen, in der deutschen Provinz gedeiht das Talent. Gegen John McEnroe (38) verlor er. Was schnell zu ändern ist. «Mehr Training», empfahl der Sieger.

Jan Ullrich ist wieder zurück aus dem amerikanischen Drogenexil. Wir erinnern uns «Bild»-genau an die etwas alte, aber zeitlos schöne Schlagzeile: «Die Hoffnung heißt Gaby. Gaby liebt ihn so sehr, sie kann ihn retten.» Nun fangt mal beide an, mit dem Knie und dem Gemüt, Reihenfolge gleichgültig.

Heike Drechsler (37), die seit mindestens 22 Jahren im Weitsprung arbeitet, denkt darüber nach, wieder im Siebenkampf zu starten. Ein glorreicher Ersatz für Sabine Braun, die, jugendlich wie Drechsler, schon aufhört. Sie soll sogar gelächelt haben, silbern wie ihre EM-Medaille von München. Wem so viel Gutes widerfährt, muss auch im Fußball nicht darben. Der jugendliche Star bewegt sich nun heldenhaft beim FC Bayern München auf dem Laufsteg. Angefeuert von knallharten Managern, die das Herz der Frauen erobern wollen. Uli Hoeneß sagt über Michael Ballack: «Er ist natürlich ein Dressman, so groß und schlank.»

Und Karl-Heinz Rummenigge sagt: «Ein hübscher Kerl, vermutlich der attraktivste. Frauen wollen Eleganz, spielerische Leichtigkeit - und die bieten wir ihnen.» Das steht in der «Bunten», und wer da drin steht, wird so schnell nicht grau.

Der ehemalige Trainer Dettmar Cramer sagte einmal: «Deutsche Nationalspieler sind innen wie außen blitzsaubere Kerle.» Das zieht, Cramer war einmal ein Star und ließ sich in der Pose Napoleons fotografieren.

Doch einer, die letzte gute Nachricht, übertrifft alle. Er erhebt den deutschen Allerweltsnamen Schultz, einen wie Becker oder Schumacher, in den Regenbogen-Himmel, in dem Boris und Michael schon wohnen. Ein Star der schnellen Schritte, der nach 400 Metern vergisst - so muss es sein im Triumph - , dass Teleobjektive die Artillerie der Indiskretion sind.

Ingo Schultz, lieb wie ein Schwiegermutter-Schwarm, erfüllt die Normen des Stars - das ist einer, von dem alle wissen, was er gerade tut, außer seiner Partnerin und der Familie.

Die Fotos der innigen Umarmungen mit Freundin Antje Buschschulte, Europameisterin im Schwimmen, sind verschickt. Und dank der Fernbedienung vergrößern wir Fernsehzuschauer unseren Horizont (und die Sitzfläche), weil wir zuschauen dürfen, das Rührtränchen im Knopfloch.

Fünf Stunden später ist alles vorbei. Er sagt es ihr, sie taucht tief in den Liebeskummer und schwimmt - zur Deutschen Presseagentur (dpa), die Antje Buschschulte zitieren darf: «Ingo hat mir um zwei Uhr nachts erklärt, dass unsere Beziehung beendet ist.»

Bravo, nur so geht es. Was dem Tennisspieler die Londoner Wäschekammer, ist dem Fußball-Weltmeister Franz Beckenbauer die Weihnachtsfeier des FC Bayern München. Klatsch, herrlicher Klatsch, und wir genießen das Laster aus zweiter Hand.

Wo da der Sport bleibt? Das ist keine gute Frage. Soll denn einer 400 Meter in 45 Sekunden zurücklegen und darauf hoffen, dass er nur deshalb auf dem Boulevard der Prominenz (des Ruhmes von der Stange) weiter schlendern darf? Das wäre viel zu einfach, so einfach wie für Boris Becker, wieder Tennis zu spielen. Ob für Sundern oder Leimen, Provinz bleibt Provinz - und die muss schließlich überwunden werden.

Und genau das hilft uns Alltagszwergen. Wir brauchen keine Drogen, keinen öffentlichen Ehebruch, keine weiten Sprünge über die Altersgrenze hinaus. Und die Steuern zahlen wir auch. Da bleibt nur der Schlüsselloch-Blick auf die Stars.

Klatsch sei eine gesprochene Zeitung für Analphabeten der Fairness? Wer hat das denn gesagt? Ach so, einer namens Sir Laurence Olivier. War Schauspieler, schoss nie ein Tor für Bayern München. Und hübscher als Ballack ist er auch nicht.

Schluss, aus. Es lebe der Sport.