Als das Quartett auf die Ehrenrunde ging, hüpfte Claudia Marx immer wieder wie ein Gummiball auf der Tartanbahn. Eine schwarz-rot-goldene Fahne schwenkend, schien die Berlinerin gar nicht so richtig zu wissen, wo sie mit ihrem Glück hin sollte. Der Traum war für die 23-Jährige von der LG Nike in Erfüllung gegangen: EM-Gold mit der 4x400-m-Staffel. In diesen Glücksmomenten waren die vergangenen Wochen ganz weit weg, diese Wochen der Ungewissheit, als die Sportstudentin nicht wusste, ob es überhaupt für die EM-Teilnahme reichen würde.
Beim Europacup in Annecy am 23. Juni war sie im Staffelrennen gestürzt, hatte sich den Unterkiefer gebrochen, konnte danach zehn Tage lang nur flüssige Nahrung zu sich nehmen - und geriet erheblich in Trainingsrückstand. Immer wieder die bohrende Frage: Schaffe ich es noch? Doch das war nun alles vergessen.
«Ich kann es immer noch nicht so richtig glauben, dass wir Gold gewonnen haben», sprudelte es später aus der blonden Läuferin heraus. Für sie sei dieses Rennen auch eine Art «Rehabilitierung» gewesen. «Weil Platz neun im Einzelrennen für mich eine große Enttäuschung war.» Damit hatte sie ganz knapp den Endlauf verpasst. Doch dann kam die Staffel: «Es ist etwas ganz anderes, wenn ich den Staffelstab in der Hand halte.»
Als dritte Läuferin des DLV-Quartetts hatte sie eben diesen Stab von Birgit Rockmeier übernommen und dann wohl eines ihrer couragiertesten Rennen gelaufen. Auf der Zielgeraden spurtete sie die Läuferinnen aus Russland und Polen nieder - und übergab überraschend als Erste den Stab an Schlussläuferin Grit Breuer, die dann in ihrem unnachahmlichen Stil Gold sicherte.
Gemeinsam sind sie stark. Bereits im vergangenen Jahr war Claudia Marx mit der 4x400-m-Staffel Vizeweltmeisterin in Edmonton geworden. «Für mich ist der Teamgedanke sehr wichtig», erzählte sie. Das Klima im Team sei hervorragend. «Wenn man sich nicht leiden könnte, wäre es so nicht gelaufen. Man sagt ja immer, unter Sprinterinnen herrsche Zickenkrieg, aber bei uns ist das überhaupt nicht so.» cwi