Bärenstarke Bilanz

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Sven Beckedahl

Foto: Frank Zauritz / © Frank Zauritz

Ralf Beckmann wunderte sich über sich selbst. Da hatte er die Nationalmannschaft des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) 35 Tage lang vorbereitet, weitere 14 Tage in Potsdam und Berlin durch die Europameisterschaften geführt - und bekam dennoch nicht genug.

«Es ist ganz seltsam», sagte der DSV-Cheftrainer, «von mir aus könnte morgen schon die neue Saison beginnen.» Die 22 Medaillen der Schwimmer - zehn Mal Gold, sieben Mal Silber, fünf Mal Bronze - haben den 55 Jahre alten Sportdirektor offenbar so euphorisiert, dass er bis zu den Olympischen Spielen 2004 in Athen durcharbeiten könnte. Doch wie alle anderen EM-Teilnehmer wird auch Beckmann drei Wochen Urlaub machen. Anfang September wird er sein Team in Frankfurt versammeln. «Um die Marschroute für die Weltmeisterschaften 2003 in Barcelona festzulegen», sagt er, «und um zu verarbeiten, was in Berlin überhaupt passiert ist.»

Natürlich werden sie die triumphalen Momente von Berlin noch einmal auflodern lassen. Doch es wird auch über Unerfreuliches zu reden sein. Warum Torsten Spanneberg zum Beispiel seiner Form hinterher kraulte, hat die Teamleitung bereits erkannt. «Er war nur krankheitsbedingt ein Ausfall», sagt Bundestrainer Manfred Thiesmann. Im Fall von Sandra Völker ist die Sachlage weniger klar. In der 4 x 100-Meter-Freistilstaffel trug sie am ersten EM-Tag mit der besten Zeit den Löwenanteil zum Weltrekord bei, am Sonntag kraulte sie als Schlussschwimmerin der Lagenstaffel zum Europarekord (4:01,54 Minuten). Sowohl über 100 als auch über 50 Meter Rücken wurde sie jedoch Zweite, und vor allem die Silbernmedaille auf der kürzeren Strecke hält Beckmann «für eine Enttäuschung - wir dachten, sie wäre stark und souverän genug, das Ding zu gewinnen.» Somit wartet die Hamburgerin weiter auf den ersten internationalen Einzeltitel seit der Europameisterschaft 1999 in Istanbul.

In jenem Jahr fand die EM übrigens zum ersten Mal mit Halbfinalrennen statt. Geht es nach Beckmann, soll damit künftig Schluss sein. «Das Halbfinale ist völlig überflüssig», sagt er, «dadurch werden nur die Belastungen hochgeschaukelt.» Die Lagenstaffel der Männer sieht er als jüngstes Opfer dieses Modus. Stev Theloke, Jens Kruppa, Thomas Rupprath und Stefan Herbst gewannen zwar am Sonntag die Bronzemedaille hinter Russland und Frankreich. Doch die vielen Starts hatten sie ausgelaugt. Weshalb der Cheftrainer glaubt: «Wäre die Staffel am ersten Tag gestartet, wäre sie wohl mit Europarekord Europameister geworden.»

Der Weltverband (Fina) und der europäische Verband (LEN) hatten die Halbfinals eingeführt, «damit sich die Schwimmer häufiger zeigen können und die Spannung steigt». Doch Beckmann hält die Regelung nur «für eine Attacke gegen die großen Nationen». In Berlin suchte er bereits nach Verbündeten im Kampf gegen die Halbfinals. «Leider habe ich die Schweden nicht mit ins Boot bekommen», sagt er. Nun sucht er in England Verbündete für ein neues Regelwerk. Danach sollen in den Vorläufen die besten acht Schwimmer ermittelt werden. Ohne Halbfinals würde sich eine EM dann auf sechs Tage (statt sieben) beschränken. Beckmann: «Ich sehe akuten Handlungsbedarf.»