Buß fasst neuen Mut

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Thomas Häberlein

In Erding vor den Toren Münchens machte Martin Buß in den vergangenen Tagen einen durchaus entspannten Eindruck. Er fühle sich gut, erklärte er lächelnd im Trainingslager der deutschen Leichtathleten, ähnlich gut wie im vergangenen Jahr.

Vor knapp zwölf Monaten war der Hochspringer in Edmonton Weltmeister geworden, was liegt da näher, als auch die Europameisterschaft voller Optimismus anzugehen. Wie selbstverständlich, für seine Verhältnisse aber doch ziemlich forsch, beantwortete der 26 Jahre alte Berliner, der allerdings für Bayer Leverkusen startet, denn auch die Frage, wer diesmal Gold gewinne: «Ich».

Trainer Rainer Pottel hat derart viel Zuversicht fast schon erschrocken. «Nichts ist unmöglich», sagt der Coach, «aber er hat andere Grundlagen als im letzten Jahr.» Will heißen: Die Aussichten, dass Buß erneut höher fliegt als die Konkurrenz, sind nicht gerade goldig. Deshalb ist Pottel vorsichtig: «Die Jahresbestleistung ist das Minimalziel.»

Das hieße: Höher als 2,25 m sollte sein Schützling auf jeden Fall springen. Bereits heute Abend, bei der Qualifikation für das Finale am Donnerstag, sind 2,28 m gefordert. «Es ist alles eine Frage der Selbstsicherheit», erklärt der Trainer.

Allzu viel Seelenbalsam hat der sensible Buß in diesem Jahr allerdings nicht abbekommen. «Es ist wohl eine Kopfsache. Ich kann jetzt nur noch hoffen, dass ähnlich wie im vergangenen Jahr noch der Knoten platzt», klagte der Familienvater noch vor sechs Wochen beim Europacup in Annecy, wo er nur 2,22 m übersprang.

Nach dem WM-Sieg vor einem Jahr hatte der Berliner sicherlich auf mehr Popularität und Sponsoren gehofft. Aber es tat sich so gut wie gar nichts. Eine Tatsache, die Buß nicht so einfach hat wegstecken können. Im beschaulichen Erding fasste er nun offenbar neuen Mut. «Ich bin körperlich voll da», sagte er zufrieden. Das hört sich gut an, schließlich plagt er sich seit einem Trainingslager im April in San Diego mit Problemen im linken Knie herum.

Durch die Beschwerden «habe ich zwischendurch den Rhythmus verloren», bekennt Buß. Die Geduld aber verlor er nie, schließlich hat ihm der Gewinn des WM-Titels «bewiesen, dass es ganz plötzlich wieder nach oben gehen kann».

Im vergangenen Jahr hatte Buß ähnliche Probleme, in Schwung zu kommen, erst auf den letzten Drücker gelang ihm damals überhaupt die WM-Qualifikation. «Warum», fragt er nicht grundlos, «soll es diesmal nicht klappen?» Bislang, bemerkt er mit einem verschmitzten Grinsen, «habe ich die anderen eben noch ein wenig in Sicherheit gewogen.»

Heute muss Buß zeigen, was er drauf hat, doch unter Druck setzen lassen will er sich nicht. «Wenn Leute erwarten, dass ein Weltmeister automatisch auch Europameister wird, dann haben sie keine Ahnung vom Sport. Wir sind alle nur Menschen.»

Die physische Verfassung, sagt Trainer Pottel, sei mittlerweile «ähnlich wie vor dem WM-Gold», ab jetzt entscheide sich also alles im Kopf. Auf den könne sich Buß durchaus verlassen, meint der Coach: «Ich vertraue seiner Wettkampfstärke. Er hat bislang bei allen Höhepunkten abrufen können, was er drauf hat.»

Die Frage ist nur: Was hat Buß derzeit wirklich drauf? Bei der Weltmeisterschaft in Edmonton waren es im vergangenen Jahr immerhin 2,37 m. sid