Der Einbruch der organisierten Kriminalität in den Sport hat weltweit große Besorgnisse und Aktivitäten ausgelöst. Nach dem Bekanntwerden der Einflussnahme des in Italien verhafteten russischen Mafia-Bosses Alimsan Tochtachunow auf zwei Eiskunstlauf-Wettbewerbe der Olympischen Winterspiele in Salt Lake City will nun auch der Sport den Skandal neu aufrollen. «Sobald wir konkrete Hinweise bekommen, werden wir handeln», kündigte der Präsident der Internationalen Eislauf-Union (ISU), Ottavio Cinquanta (Italien), an. «Es ist unsere Pflicht, unseren Sport zu schützen.»
Der Italiener steht vor allem unter dem Druck des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), das an einer Aufklärung dieses Sportbetrugs in neuer Dimension in besonderer Weise interessiert ist.
Deswegen hat sich IOC-Vizepräsident Thomas Bach in einem Brief an Otto Schily gewandt und dabei auch angefragt, ob der Bundesinnenminister über verlässliche Informationen verfüge. Tonbandaufnahmen internationaler Geheimdienste hatten auf die Spur von Tochtachunow geführt. Bach regt eine enge Kooperation zwischen Staat und Sport an und zeigte sich besorgt, dass die organisierte Kriminalität auf den Sport übergreifen könnte. Es gehe nun darum, «durch eine enge Zusammenarbeit mit dem Staat Dämme zu errichten».
Die italienische Polizei hatte im Zuge einer europaweiten Aktion gegen Geldwäscher Telefongespräche von Tochtachunow mit bis zu sechs Eiskunstlauf-Kampfrichtern abgehört. Laut FBI soll der 53-Jährige, der seit 1989 vornehmlich in Frankreich und Italien lebt, einen Sieg des russischen Paares Elena Bereschnaja/Anton Sicharulidse arrangiert und in einem Gegengeschäft mit dafür gesorgt haben, dass im Eistanz die Exilrussin Marina Anissina mit ihrem französischen Partner Gwendal Peizerat olympisches Gold gewinnt. IOC und ISU hatten nach einem als Skandal empfundenen Sieg von Bereschnaja/Sicharulidse auch den Kanadiern Jamie Sale/David Pelletier die Goldmedaille zuerkannt.
Durch die aufgezeichneten Telefongespräche mit Tochtachunow sind Goldmedaillengewinnerin Marina Anissina und ihre Mutter in Verdacht der Mitwisserschaft geraten. Laut FBI soll Anissina in dem Telefongespräch mit Tochtachunow gesagt haben, sie hätte auch ohne das Votum des russischen Kampfrichters gewonnen. dpa