Pinkelpause schamlos genutzt

| Lesedauer: 3 Minuten
Carola Wittkowski

Foto: pg gr

Normale Bedürfnisse stellen Radprofis mitunter vor schlimme Probleme. Stundenlang strampeln sie sich ab, trinken dabei natürlich ein paar Fläschchen Wasser - klar, dass da ab und zu dann auch mal die Blase drückt. Aber eine Pinkelpause, wie sie der Spanier Igor Gonzalez Galdeano, zu dem Zeitpunkt noch Spitzenreiter bei der Tour de France, vorige Woche einlegte, kann von Rivalen schamlos ausgenutzt werden.

Als der Mann aus allzu verständlichen Gründen am Straßenrand verharrte, machten sich Fahrer des belgischen Domo-Teams auf und davon. Ein klarer Verstoß gegen den Ehrenkodex, dessen Folgen die Kollegen von Gonzalez Galdeano bekämpften.

Fluchend nahmen sie die Verfolgung der Ausreißer auf, wohlwissend, dass sie die Revanche für eine unfaire Attacke bei der Tour 2001 kassierten.

«Rennen sind wie Kriege», drückt es Domo-Teamchef Patrick Lefèvre martialisch aus. Vor allem der Gesamtführende darf sich dabei nicht die geringste Schwäche geben. Vorderhand wird ihm zwar allseits Respekt gezollt, andererseits können ihn menschliche Regungen in arge Bedrängnis bringen.

Lance Armstrong, der dreimalige Tourgewinner und erste Anwärter auf den Gesamtsieg auch in diesem Jahr, hat seine Lektionen gelernt. «Diesen Fehler werde ich nie wieder machen», sagte der 30-Jährige am Sonntag auf dem Gipfel des Mont Ventoux, in Anspielung auf einen Vorfall vor drei Jahren an gleicher Stelle.

Damals hatte der Texaner Seite an Seite mit Marco Pantani den Gipfel erklommen, am Ende dem Italiener den Etappensieg überlassen. Eigentlich eine nette Geste, die ihm jedoch übel genommen wurde: Geschenke von Armstrong hätte er nicht nötig, grollte Pantani. Jetzt weiß Armstrong also, was er zu tun hat.

Als Lance Armstrong im vorigen Jahr einmal während einer Etappe sein kleines Geschäft verrichtete, befand Robbie McEwen, dass dies der rechte Moment für einen Fluchtversuch sei. Die Konsequenzen glaubt der Australier noch heute tragen zu müssen. Armstrong, behauptet der Gegner des Deutschen Erik Zabel im Kampf um den Rang des besten Sprinters, versuche, ihn am Gewinn des Grünen Trikots zu hindern. «Er hat den Vorfall aus dem Vorjahr nicht vergessen», so McEwen.

Am vergangenen Donnerstag, bei der ersten Etappe durch die Pyrenäen etwa, habe Armstrongs Team US Postal nach dem Col d'Aubisque das Tempo gedrosselt, um Zabel den Anschluss an die Spitze zu ermöglichen, schwant McEwen, der zunächst das Ehrentrikot verlor und es erst am Sonntag wieder ergatterte.

Dass Armstrong auch ganz anders kann, zeigte er 2001 auf der Abfahrt von einem Pyrenäen-Pass. Als Jan Ullrich eine Kurve verpasste und kopfüber in die Botanik stürzte, hielt der Amerikaner an und wartete auf seinen deutschen Widersacher. Auch in Bezug auf die guten Tour-Sitten gibt Lance Armstrong also den Ton an.