Cricket-Verband vor der Spaltung

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Horst Bläsig

Für ein paar Stunden war noch einmal alles wie immer. Auf dem Körnerplatz am Olympiastadion spielten der SC Staaken und Der Sport und Social Club (DSSC) am Sonnabend friedlich miteinander Cricket. Es ging um Punkte in der Bundesliga Ost. Wie so oft in den zurückliegenden Jahren. Ungewöhnlich war nur das Ergebnis: Staaken gewann mit 82:81 - ein seltener Erfolg für die «Stragglers» gegen den dreimaligen deutschen Meister.

Doch auf die Gelegenheit zur Revanche wird der DSSC lange warten müssen. Denn so, wie es aussieht, dürfte es vorerst keine Pflichtspiele zwischen beiden Klubs mehr geben. Der Grund ist für das deutsche Cricket mit seinen 40 Vereinen und insgesamt knapp 1000 Aktiven höchst unerfreulich: Dem Sport, der hierzulande ohnehin ein Schattendasein fristet, droht die Spaltung.

Aus Unzufriedenheit mit dem Deutschen Cricket Bund (DCB) haben 15 Vereine (darunter der DSSC aus Berlin) einen eigenen Verband, den Bund Deutscher Cricket-Vereine (BDCV), und eine eigene Liga, die Deutsche Cricket-Liga (DCL), gegründet. Und der von persönlichen Animositäten geprägte Konflikt eskaliert. Vor wenigen Tagen unterrichtete das Präsidium des DCB die wortführenden Klubs der Revolte von ihrem Ausschluss aus der Dachorganisation. Den DSSC-Vorsitzenden Joachim Manzke lässt das kalt. «Wir wollen den DCB sowieso zum Ende des Jahres verlassen», sagt er. «Und ich gehe davon aus, dass sich weitere Vereine uns anschließen werden.»

Undemokratisches Verhalten bei Abstimmungen, fehlende Basisarbeit und Verschleierung der Finanzen werfen die Rebellen den Verbandsoberen vor. Manzke: «Für die ist jede Kritik eine Majestätsbeleidigung. Dabei wird der DCB ausgesprochen mangelhaft geführt. Seit drei Jahren hat das Präsidium keine Bilanzen mehr vorgelegt.» Konsequenz: Seit April geht der DSSC gemeinsam mit dem Hamburger SV, dem Hamburger CV, dem Hansa CC Hamburg und dem Bremer CV in der Nord-Staffel der neuen DCL eigene Wege.

Zu den beiden noch ausstehenden Bundesliga-Duellen mit Viktoria 89 und dem Berlin Cricket Club (BCC) wollen die Charlottenburger trotzdem noch antreten. Manzke: «Wir stehen zu unseren Verpflichtungen und wollen beide Spiele gewinnen, um in der Abschlusstabelle Platz eins zu belegen. Danach hat sich das Thema DCB für uns erledigt. An der DM-Endrunde nehmen wir nicht mehr teil.»

Beim Dachverband stößt die Abspaltung nach wie vor auf Unverständnis. «Ich weiß nicht, was die vorhaben», sagt DCB-Präsident Brian Fell aus Passau. «Die Entwicklung ist sicher nicht erfreulich, aber wenn die gehen möchten, sollen sie gehen. Die Mehrheit unserer Vereine wird ihnen nicht folgen.» Halbwegs sicher kann er sich da wohl nur im Süden Deutschlands sein. In anderen Regionen mehren sich die kritischen Stimmen. «Von den Jahresbeiträgen der Vereine fließt gar nichts an uns zurück», sagt BCC-Boss Volker Ellerbeck. «Und von den auf 60 000 Euro geschätzten Fördermitteln des europäischen Verbandes kommt kein Cent an der Basis an.» Auch der BCC erwägt den Liga-Wechsel. Ellerbeck: «Das DCB-Präsidium hat nichts dafür getan, die Situation zu entschärfen. Es bricht die eigenen Satzungen und zeigt keine Gesprächsbereitschaft.»

Ein Vorwurf, den DCB-Sportdirektor Rupert Lavington weit von sich weist. Seine Retourkutsche: «Warum haben die Leute, die seit Jahren meckern, nicht mal selbst Verantwortung übernommen? Wir machen unseren Job ehrenamtlich. Uns böse Absichten zu unterstellen, ist absurd.» Und trotzig fügt der Abteilungschef des SC Staaken hinzu: «In sportlicher Hinsicht hat die neue Liga nicht viel zu bieten.»

Vielleicht aber doch. Am 15. September wird zwischen den Siegern der Nord- und der West-Staffel der erste DCL-Meister ausgespielt - in Berlin auf dem Körnerplatz. Für dasselbe Wochenende plant auch der DCB seine Endrunde. Eine Spielfläche sucht er noch.

Cricket-Bund

Alles über den bisher einzigen Cricket-Verband unter: www.dcb-cricket.de