Es war das wunderlichste Wimbledon aller Zeiten, mit den Knockouts von Champions wie Pete Sampras oder Andre Agassi, mit einem Triumphzug von Sandplatzspezialisten und einem Massenexodus der Rasen-Meister. Doch im letzten Spiel des verrückten Jahrgangs 2002 im All England Club hat doch der Mann triumphiert, der die Gegenwart und die Zukunft des Tennis ist: Mit der Autorität eines Weltmeisters eroberte Lleyton Hewitt bei seinem 6:1, 6:3, 6:2-Endspielsieg über den nervösen Debütanten David Nalbandian (Argentinien) erstmals den Wimbledon-Thron und markierte den Beginn einer neuen Zeitrechnung auf dem heiligen Rasen, der Ära Hewitt.
«Das ist der Moment, von dem ich als Kind geträumt habe», sagte der neue Champion gerührt, der als erster Australier seit Pat Cash 1987 das bedeutendste Tennisturnier der Welt gewann. Überwältigt von seiner Freude, ließ sich Hewitt nach verwandeltem Matchball rücklings auf das Grün fallen und genoss den Augenblick. Kurze Zeit später küsste Hewitt den Silberpokal, den ihm der Herzog von Kent überreicht hatte. In eine australische Flagge gehüllt, lief der 21-Jährige eine beifallsumrauschte Ehrenrunde. Einer der ersten Gratulanten des mit 787 500 US-Dollar belohnten Champions war sein Mentor Patrick Rafter, der in beiden vorherigen Jahren jeweils gegen Pete Sampras und Goran Ivanisevic in den Finals zweiter Sieger geblieben war.
Wie im modernen Tennis vor ihm nur Pete Sampras beherrscht Hewitt im Hier und Jetzt seinen Sport: Er hält die Titel von New York und London, ist die Nummer eins im Champions Rennen (Jahreswertung) und in der alten Weltrangliste, die alle Ergebnisse der letzten 52 Wochen einkalkuliert.
«Ich habe im Moment die beste Zeit meines Lebens», sagte Hewitt. Die Kreise des zähen Burschen mit den schnellsten Beinen, der größten Ausdauer und dem stärksten Willen konnte niemand stören. Nicht der gefährliche Schwede Jonas Björkman, den Hewitt in der ersten Runde aus dem Weg räumte, nicht anderthalb Wochen später Englands im Halbfinale schwer verprügelter Darling Tim Henman, und auch nicht der wackere Neuling Nalbandian in einem einseitigen Endspiel, das einem Vergleich David gegen Goliath glich.
«Er war der einzige der Großen, der jederzeit Standfestigkeit bewiesen hat», sagte Ex-Sieger John McEnroe, «Hewitt wird auf lange Zeit der Mann bleiben, den es hier zu schlagen gilt.» Der jüngste Wimbledon-Champion seit Boris Becker (1985) erhielt auch von dem deutschen Rasenkönig den Ritterschlag: «Einen wie ihn hat es im Tennis noch nie gegeben.»
Eine Stunde und 56 Minuten waren gespielt, als die Wirklichkeit Hewitts Kindertraum einholte. Es war der Moment, in dem er Wimbledon gewann. Zum ersten Mal. Aber wohl nicht zum letzten Mal.
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