Rad-Profi Jan Ullrich (28) hat nach seiner positiven Dopingprobe die Einnahme von verbotenen amphetaminhaltigen Tabletten eingestanden und auf die Öffnung der B-Probe verzichtet. Ihm droht nun eine Sperre von sechs bis zwölf Monaten Dauer.
Um Punkt zehn Uhr macht sich Unruhe breit im Konferenzsaal im Erdgeschoss der Geschäftsstelle vom Bund Deutscher Radfahrer (BDR) an der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt. Jan Ullrich wird von einer großen Traube Fotografen hineingeschwemmt. Der Star des Radrennstalls Team Telekom ist nur mühsam zu orten. Zumal er ein unscheinbar graues Hemd trägt. Normalerweise trägt Ullrich um diese Jahreszeit raspelkurze Haare und ist schlank. Sein übliches Erscheinungsbild zum Auftakt der Tour de France.
Nun sieht er aus wie ein Lausbub: volle Locken und Pausbäckchen. In diesem Jahr fährt er ja nicht mit. Ullrich nimmt Platz auf dem Podium, mit starrer Miene. Die Präsidentin ergreift das Wort und wünscht einen «schönen guten Morgen». Das klingt angesichts der prekären Lage für den Herrn neben ihr ein wenig unpassend. Sylvia Schenk, Chefin des BDR, gesteht dann mit einem Hauch von Mitgefühl: «Bisher hab ich nicht gewusst, was es heißt, Jan Ullrich zu sein, gerade habe ich jedoch einen kleinen Eindruck davon bekommen.» Schenk war mittendrin in dem Gemenge um Ullrich.
Der 28-Jährige ist an diesem Samstagmorgen erschienen, um Beichte abzulegen. Wer schon mal im Beichtstuhl saß, weiß, wie schwer die Worte der Buße über die Lippen kommen. Da macht Ullrich keine Ausnahme. «Ja gut», eröffnet er mit dünner Stimme, «es wissen ja alle, um was es geht.» Der Delinquent erzählt von seiner positiven A-Probe, die ihm am 12. Juni entnommen worden war. Anfangs stottert Ullrich vor Aufregung, als er sich zu dem negativ Positivem bekennt. «Im gleichen Atemzug muss ich natürlich sagen, dass für mich klar steht, dass es für mich in dem Fall überhaupt kein Doping ist.»
Ullrich wird nun sicherer, erzählt von den schweren Zeiten, die er im vergangenen halben Jahr durchlitten habe wegen seiner verdrießlichen Knieverletzung. «Es war kein Erfolg sichtbar», klagt der Tour-Sieger von 1997. Dann musste er den Start bei der Frankreich-Rundfahrt endgültig absagen. Ein weiterer Nackenschlag. Da sei es doch menschlich, dass er «abends um die Häuser» gezogen sei, um Dampf abzulassen. Die erste Konsequenz dieser Ausschweifungen wurde nach dem 1. Mai ruchbar: Ullrich hatte alkoholisiert seinen Wagen in ein paar Fahrräder vor dem Freiburger Hauptbahnhof manövriert - welche Symbolik.
Nun gesteht er seinen Fehltritt vom 11. Juni. Tatort eine Disco. Details mag er nicht nennen, um andere zu schützen: «Ich hatte einiges getrunken. Und unbewusst und, ja, eine Dummheit von mir, einfach. Da habe ich überhaupt nicht überlegt, habe ich Tabletten bekommen, hab die eingenommen ohne zu überlegen und war mir auch in dem Moment überhaupt nicht bewusst, dass ich irgendwas Falsches oder etwas Unkorrektes mache. Am nächsten Tag war die Kontrolle da.»
Eine Dummheit fürwahr. Von Amphetaminen oder Ecstasy will er noch nie etwas gehört haben. Die Naivität macht sprachlos. Sonst nippt er nicht einmal Wasser, wenn die Flasche nicht zuvor versiegelt war. Immerhin: Nach Lage der Fakten ist Jan Ullrich kein systematischer Doper. Er denkt an sein Comeback («So will ich nicht abtreten») und entschuldigt sich bei den Teamkollegen für den Ärger, den er ihnen eingebrockt hat. Um 10.35 Uhr hat Jan Ullrich die Beichte hinter sich.
Aber Ullrich droht Ungemach. Die Staatsanwaltschaft München hat gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz eingeleitet. Und Sponsoren wie die Continental AG, Co-Sponsor des Teams Telekom, Bioenergie und Audi erwägen den Rückzug.