Berlin - Es gibt Menschen, denen ist es einfach egal, dass heute die Fußball-WM beginnt. Zu ihnen zählt auch Katrin Rutschow-Stomporowski, amtierende Ruder-Weltmeisterin im Einer und an diesem Wochenende selbst aktiv. Auf der Regattastrecke Grünau steigt am Sonntag um 14 Uhr das Einer-Finale der Frauen um die Deutsche Meisterschaft.
Seit gestern ist die 27-Jährige bereits an der Strecke, um noch ein wenig zu trainieren und die Konkurrenz zu beobachten. Dass sie deshalb die ersten WM-Spiele verpasst, stört sie wenig. «Rudern ist mir noch ein bisschen wichtiger als Fußball», sagt sie mit einem Schmunzeln. Die Wahrheit ist: Das Champions-League-Finale 1999 zwischen Bayern und Manchester war der letzte Kick, den sie live im Fernsehen verfolgt hat.
Die DM ist die erste Standortbestimmung für Rutschow-Stomporowski in dieser Saison. Wegen einer schweren Grippe im Frühjahr verzichtete sie auf den Start bei der internationalen Wedau-Regatta in Duisburg vor zwei Wochen. Die haushohe Favoritin möchte vor heimischem Publikum («Familie und Freunde sind an der Strecke») natürlich deutsche Meisterin werden. Zumal der Bundeskanzler als Schirmherr extra für dieses Rennen eine Siegerschale als «Kanzlerpreis» stiftet, den Sportminister Otto Schily überreichen wird, wie er gestern versicherte. Zusätzlich wird sie im Doppelvierer ohne Steuerfrau antreten (Sonntag, 15.50 Uhr).
Dennoch ist der Kampf um nationale Ehren nur eine Zwischenetappe zunächst auf dem Weg zum Saisonhöhepunkt, der Weltmeisterschaft in Sevilla im September. Rutschow-Stomporowski weiß, dass sie dort die Gejagte sein wird. «Natürlich wird es schwer, den WM-Titel zu verteidigen, zumal ich momentan nach dem Training ein tägliches Berufspraktikum absolviere.» Damit stellt sie die Weichen für die Zeit nach ihrer Sportlerkarriere. Die Mode-Designerin möchte später eigene Kleider entwerfen.
Um für die Titelverteidigung trotzdem gerüstet zu sein, absolviert die gebürtige Mecklenburgerin direkt nach der DM ein dreiwöchiges Höhentraining. Nicht etwa in den Alpen oder gar in Mexiko, sondern in einer Höhenkammer am Olympiastützpunkt Hohenschönhausen. Durch Veränderung des Luftdrucks werden dort 2500 bis 2900 m Höhenlage simuliert.
Das bevorstehende «Kammer-Training» an Ergometer und Laufband bietet nicht gerade eine verlockende Aussicht für die Naturliebhaberin. Aber es wird noch öfter auf sie zukommen. Schließlich ist das ganz große Ziel der Katrin Rutschow-Stomporowski Olympia 2004 in Athen. 1996 holte sie bereits Gold im Vierer. «Doch ich bin im Einer groß geworden, deshalb wäre der Olympiasieg in dieser Klasse ein Traum», sagt die zweifache Juniorenweltmeisterin.
Für die Operation Olympiasieg wird sie außer durch Landestrainer Dieter Öhm vor allem durch Ehemann Bernhard unterstützt. Bis zu seinem Karriereende im Jahr 2000 war der 36-Jährige selbst ein erfolgreicher Ruderer, holte drei Weltmeistertitel im Leichtgewichts-Vierer ohne Steuermann und im -Achter. «Ich sehe es als Vorteil an, einen Ruderer als Mann zu haben. Wir unterhalten uns viel über Trainingsmethoden und Regatta-Taktik. Das hat mich voran gebracht.»
Nach Athen soll Schluss sein. «Dann soll Katrin Mutter werden», ist Bernhard der Ansicht, dass er bis dahin genug Unterstützung geleistet hat. Kollegin Kathrin Boron aus Potsdam, ihres Zeichens dreimalige Olympiasiegerin und neunmalige Weltmeisterin, lässt grüßen. Sie legt gerade eine Babypause ein.