Miyazaki - Es gab einen Bundestrainer, der ließ einen Spieler nur dann an einem großen Turnier teilnehmen, wenn dessen vertragliche Situation bei seinem Verein vor dem ersten Anpfiff geklärt war. Es handelte sich um Berti Vogts. Der es gar nicht lustig fand, dass etwa bei der EM 1996 das Schicksal von Stammtorwart Andreas Köpke zwischen dem VfB Stuttgart und dem FC Barcelona tagtäglich mit großen Schlagzeilen ausgebreitet wurde.
Vogts' Nach-Nachfolger, DFB-Teamchef Rudi Völler, ist da anders. Wenn Samstag die WM für Deutschland mit dem Spiel gegen Saudi-Arabien beginnt (13.30 Uhr, ARD), werden voraussichtlich drei Spieler in seiner Anfangself auftauchen, die unzufrieden sind mit ihrem Arbeitgeber oder vor einem Wechsel stehen: Torsten Frings, der gute Chancen auf einen Einsatz hat, möchte von Werder Bremen zu Borussia Dortmund. Allerdings sind sich die Vereine noch nicht einig. Bernd Schneider ist genervt, weil in Leverkusen zu viele Spieler seine Position für sich beanspruchen.
Und Carsten Jancker versucht, vom FC Bayern loszukommen. Vergangene Woche, so Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, habe Galatasaray Istanbul bei Manager Uli Hoeneß angefragt, «sich aber nicht mehr gemeldet in den letzten Tagen». Im Raum stand ein Zwei-Jahres-Vertrag, dotiert mit 2,5 Millionen Euro. Janckers Kontrakt in München läuft 2003 aus, die Ablöse dürfte etwa acht Millionen Euro betragen. Oder mehr.
Die Münchener sind daran interessiert, dass der 27-jährige in Südkorea und Japan möglichst oft zum Einsatz kommt. Stichwort Steigerung des Markwertes.
«Der Carsten wird eine sehr ordentliche WM spielen. Er hat hart trainiert und kommt in Form», sagt Rummenigge, der erst zum zweiten deutschen WM-Spiel (Mittwoch gegen Irland) nach Japan kommen wird, und für den die Idealbesetzung im DFB-Sturm bereits feststeht. Weiter heißt es in dem nicht ganz uneigennützigen Werbetext: «Jancker und Miroslav Klose passen am besten zusammen. Klose ist sehr beweglich, und Carsten als Strafraumspieler kommt ihm taktisch zugute. Ich wünsche dem Carsten, dass er WM-Torschützenkönig wird.»
Auch für den Fall, dass der 1,93-Meter-Mann und der freigegebene Ciriaco Sforza den Klub verlassen sollten, werde es aber «bei uns keine neuen Verpflichtungen geben. Trotz der Verletzung Sebastian Deislers», sagt Rummenigge.
Janckers Berater Wolfgang Schänzler sagte, der Wechsel zu Galatasaray habe sich «noch nicht erledigt. Jeder wartet jetzt ab, was bei der WM passiert.»
Im Fall Frings bezog Völler gestern vorsichtig Stellung. «Ich wäre schon froh, wenn seine Situation vor dem ersten Spiel geklärt wäre und hoffe, dass es bald eine Entscheidung gibt. Wenn er eine gute WM spielt, dann wird er noch teurer.» Bremen verlangt für den 25 Jahre alten Mittelfeldspieler zehn Millionen Euro, Dortmund hat angeblich 7,29 Millionen Euro geboten. «Werder muss sich gut überlegen, ob sie ein bisschen was nehmen oder am Ende gar nichts bekommen», sagt Frings. Im Sommer 2003 läuft sein Kontrakt aus, dann ist er ablösefrei.
Beim nächsten Kandidaten liegen die Dinge etwas anders. Leverkusens Bernd Schneider ließ über seinen Berater in Deutschland lancieren, er könne nicht nachvollziehen, dass Bayer neben Yildiray Bastürk, dem Brasilianer Franca und Landon Donovan nun auch noch Jan Simak aus Hannover geholt hat. So soll Schneider gesagt haben: «Ich muss mir schon Gedanken darüber machen, wie die personelle Situation sich darstellt und wie viele Spieler meine Position beanspruchen.»
Gestern indessen ruderte der 28-Jährige zurück. Im deutschen Trainingsquartier war es ihm wichtig mitzuteilen, dass er nie Kritik an der Einkaufspolitik seines Vereines geübt habe.
So will Schneider etwaige Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber vermeiden. Schließlich hat sich sogleich Reiner Calmund zu Wort gemeldet. Nach dem Verkauf von Michael Ballack und Ze Roberto zum FC Bayern, werde Leverkusen niemanden mehr abgeben, teilte der Bayer-Manager mit. «Alles Kokolores, wir geben keinen Spieler mehr her.»
Trotzdem dürfte es Schneider recht sein, dass europaweit einen Tag lang erwähnt wurde, dass sowohl der FC Barcelona also auch AS Rom Interesse angemeldet haben. Sicher, er hat sich bis 2005 in Leverkusen gebunden. Aber eine starke Saison in der Champions League kann sich ja auszahlen, Vertrag hin oder her.
Es ist der ewig alte Streit: Jeder Spieler kann nur dann gut aussehen, wenn die gesamte Mannschaft gut aussieht. Aber zugleich ist der Fußball-Profi von heute Unternehmer in eigener Sache. Und sein Interesse, im Gespräch zu sein, geht nicht immer konform mit dem Interesse des DFB-Teamchef, der Ruhe zur ersten Bürgerpflicht vor dem Turnierstart erhoben hat. Und manchmal haben die Vereine, siehe Jancker, ein ureigenes Interesse daran, ihre Noch-Angestellten stark zu reden. Womit der Beweis erbracht ist, dass es sich auch rund um eine WM prächtig handeln lässt - Pokerspiele in Fernost.