Viel Glück: Nun aber ran an den Feind!

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«Viel Glück» ist der Schlachtruf der ersten Tage. Alle Ankommenden aus fernen Ländern sagen es. Gehen zwei Besuchergruppen auseinander, schallt es aus vielen Kehlen «good luck». Das ist nicht bloß sportlich gemeint. Den Ausländern ist die Furcht vor den fremden Sitten in Japan eingeimpft.

Umgeben von einem Wirrwarr aus Zeichen, Bildern, verborgener Bedeutung werden auch sonst auftrumpfende Fans erst mal klein. Wie soll man sich zurecht finden? Wo geht es hier zum Stadion? Und muss es zum Frühstück schon Miso-Suppe mit Algen sein?

Derartige Sorgen verbinden. «Viel Glück» riefen mir auch zwei Maschinenbauer aus Bayern nach, die hier für drei Wochen arbeiten. An Fußball haben sie noch gar nicht gedacht, an die Miso-Suppe und Natto, den gefürchteten braunen Sojabohnenschleim, schon. Immerhin: Japan sähe doch ganz gut aus, China war schlimmer.

Die Reisenden sind deshalb überall höflich im Rahmen ihrer Möglichkeiten, verbeugen sich, lächeln selig wie Heidi in der japanischen Trickfilmserie. Denn alle haben sich auf die japanische Höflichkeit eingestellt. Auch die Japaner. Wer auf einem Bahnhof länger als ein paar Sekunden dumm aus der Wäsche guckt - das fällt zuweilen ganz schön leicht - , der wird von ganz ernst schauenden Menschen erlöst. Die praktischen Maschinenbauer gehen zum nächsten Essenstand und fragen nach dem Weg zum Hotel, die Frau zückt das Telefon, erkundigt sich, schreibt Kanji-Zeichen zur weiteren Verwendung auf und sorgt sich, dass wir nicht sofort zielstrebig aufbrechen.

Auf großen U-Bahnhöfen gibt es Büros mit Mitarbeitern, die große Zettel als «WM-Freiwillige» ausweisen. Das klingt ein wenig, als habe man sich todesmutig in die Schlacht gestürzt. Na, wer traut sich die Engländer zu? Wagt sich jemand an die Lateinamerikaner? Freiwillige vor. Aber die Auskünfte sind ganz fabelhaft; ich habe mich erst einmal total verfahren, unterwürfig gestehe ich mein Unvermögen. Das strahlendste Lächeln bekommt man für den Satz, alles sei bestens organisiert.

Bestimmt wird das die liebenswürdigste Fußball-Weltmeisterschaft überhaupt. Ein richtiges Wohlfühl-Turnier im gesunden Algenmantel. Eine Schmuse-WM. Auf den Rängen liegen sich Fans in den Armen, weil sie hierher gefunden haben, auf dem Rasen sind die Spieler happy, dass es morgens Brötchen gibt. Und die Japaner freuen sich erst, dass die Organisation super ist. Auch wenn morgen saudi-arabische Spieler auf die deutsche Abwehr treffen, werden wir rufen «Viel Glück.»

Wir hoffen nämlich, dass es uns mit dem gegnerischen Sturm so geht wie in der U-Bahn. Es soll sich jemand kümmern. Sicher ist sicher. Und China ist schlimmer.