Ein Haus für sieben Spiele

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Ralf Köttker

Sendai - Das Hotel Mayfair Plaza im japanischen Sendai gibt es nicht mehr. Zumindest nicht für die Zeit der Fußball-Weltmeisterschaft. Draußen vor dem Eingang weht die grün-weiß-rote Flagge, in der Lobby liegt Francesco Totti auf dem Boden, während Mannschaftskollege Paolo Maldini jubelnd in seine Arme fällt. «Welcome. Casa Azzurri 2002» steht unter dem Poster. Willkommen in der asiatischen Außenstelle des italienischen Fußballs.

Während sich die meisten Verbände bei der WM hinter hohen Zäunen oder strengen Ordnern abschotten und alles strikt getrennt ist, greift in der Casa Azzurri das Modell der italienischen Großfamilie. Ein paar hundert Meter Luftlinie vom Sendai Stadion wurde für das Unternehmen Titelkampf ein ganzes Hotel besetzt. Organisatoren, Delegationsmitglieder, Sponsoren, Journalisten und einige Fans wohnen unter einem Dach. Und ab und an begegnet man im Fahrstuhl einem Nationalspieler, der vom nahegelegenen Royal Park Hotel vorbeischaut, um in der ersten Etage im Studio des TV-Senders Rai ein Interview zu geben.

Wer das Hotel, pardon die Casa betritt, wird in der Empfangshalle von einer schwarzgelockten Schönheit mit rauchiger Stimme und einem «buon giorno» begrüßt. Die japanischen Hotelangestellten halten sich hinter der kleinen Rezeption in der Ecke vornehm zurück. An diesem Ort für die italienischen Momente im Fußball-Leben fern der Heimat wird italienisch gesprochen. Und gegessen sowieso. Im Erdgeschoss gibt es eine Käsetheke, einen Pastastand und Rotweinausschank. Für ofenfrische Pizza sorgt italienisches Küchenpersonal.

Familiär geht es auch in den Pressekonferenzen zu, von denen meistens nur die ungefähre Anfangszeit bekannt ist. Zumindest kommen sich alle ziemlich nahe. Das klassische Frage- und Antwortspiel funktioniert in der Casa Azzurri nicht. Wenn Maldini den Saal betritt, gilt das Recht des Stärkeren. Oder des Lautesten. Hier ist fast jeder ganz nah an der Mannschaft, zumindest körperlich. «Es ist ein bisschen chaotisch, aber so ist das eben bei uns», sagt der 33-jährige Abwehrspieler vom AC Mailand, der bei seiner vierten und letzten WM den Titel gewinnen will.

Im italienischen Haus sind die meisten optimistisch, dass es nach 1982 wieder klappen könnte. Und seit gestern sind sie noch ein bisschen zuversichtlicher. Drei Tage lang hatte sich Filippo Inzaghi nicht in der Casa Azzurri blicken lassen, gestern schaute der 28-jährige Stürmer des AC Mailand nach seiner Knieverletzung aus dem Testspiel gegen den japanischen Erstligisten Kashima vorbei.

Gebangt hatten alle, ob das vor rund fünf Monaten operierte Knie vielleicht doch wieder so schwer verletzt ist, dass Inzaghi länger ausfallen wird. Als der Stürmer mit um die Hüfte gebundener azurblauer Trainingsjacke in den Saal schlenderte, war das Schlimmste überstanden. «Ich habe leichtes Lauftraining gemacht und keine Schmerzen mehr», sagte er. Dass Trainer Giovanni Trapattoni als Vorsichtsmaßnahme zum Auftakt gegen Ecuador möglicherweise auf Inzaghi verzichtet, ist dem egal. «Dann bin ich eben im zweiten Spiel dabei. Außerdem hoffe ich, dass wir hier sieben Spiele machen werden», sagte er mit Blickrichtung Endspiel.

Dann stand er auf, signierte auf dem Podium für die Journalisten noch ein paar T-Shirts und Baseballkappen. Das ist so üblich in der Casa Azzurri.