Toppmöllers Uhr läuft ab

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Gregor Derichs

Die ganze Nacht hatte Reiner Calmund wach gelegen und immer wieder an das bittere 0:3 gegen Cottbus denken müssen. Weil der Manager von Bayer Leverkusen nicht einschlafen konnte, stand er gegen fünf Uhr auf und setzte sich in die Küche. "Jetzt ist es kein Albtraum mehr, jetzt ist es Realität: Wir sind drin im Abstiegskampf", musste er sich eingestehen, "wenn wir diese Lähmung bis zum Schluss behalten, werden wir Letzter."

Das Horror-Szenario vor Augen, war Calmund am Tag nach dem katastrophalen Start in die Rückrunde darum bemüht, den Trainer aus der Kritik zu nehmen. Schon wird spekuliert, dass Klaus Toppmöller die drei Auswärtsspiele in den nächsten sieben Tagen (beim Meister Dortmund, im DFB-Pokal in Unterhaching und in Bochum) nicht als Trainer überdauern wird - zumal er in der Winterpause erklärt hatte, vier Niederlagen in Folge werde er wohl nicht überstehen. In Jürgen Röber, Falko Götz und Frank Pagelsdorf werden bereits Kandidaten als Nachfolger gehandelt. "Ich weiß, was die Stunde geschlagen hat", sagte Toppmöller.

"Es wäre unfair, unserem Trainer etwas anzulasten. Wenn so wichtige Spieler wie Schneider, Bastürk, Zivkovic, Lucio und Berbatow ausfallen, muss man ihm das zugute halten. Wir werden die Trainerfrage nicht diskutieren und auch keine Fristen setzen", sagte Calmund.

Die Realität ist eine andere: Der Geduldsfaden der Leverkusener Verantwortlichen, die nach drei Heimniederlagen in Serie nur noch drei Punkte vor der Abstiegszone liegen, ist zum Reißen gespannt. Direkt nach dem Abpfiff zogen sich Calmund, seine Kollegen Wolfgang Holzhäuser und Ilja Kaenzig sowie der Bayer-Sportbeauftragte Meinolf Sprink mit Toppmöller zu einem Krisengespräch ins Trainerzimmer zurück. Später traf sich die Runde erneut in Lützenkirchen bei einem Nobel-Italiener.

Analysiert habe man die Partie und versucht, herauszufinden, wie die Mannschaft nach dem Patzer von Torhüter Hans-Jörg Butt zum 0:1 durch Gebhardt in der 15. Minute derart zusammenbrechen konnte. "Das kann ich einfach nicht begreifen", sagte Sprink, "da machst du eine gute Vorbereitung, redest Tacheles und dann kommt so etwas dabei heraus." Kopf- und ideenlos agierten die Leverkusener, zu Recht kassierten sie die sechste Heimniederlage. Die konnte auch Abwehrchef Jens Nowotny nicht verhindern, der nach seinem Kreuzbandriss vor acht Monaten erstmals spielte. Doppelt bitter für Bayer: Nowotny droht erneut eine lange Pause. Mit Verdacht auf Kreuzbandriss begab er sich gestern in Behandlung. Mit einem Ergebnis wird heute gerechnet.

"Wir sind jetzt alle in einem tiefen Tal", sagte Toppmöller gestern zu seinen Spielern, "aus dem kommen wir aber nur raus, wenn wir alle an einem Strang ziehen." Nur scheint er die rechten Mittel gegen die sich verschärfende Krise nicht zu finden. Seine unglücklichen Personalentscheidungen am Sonntagabend - in der ersten Halbzeit gab er dem unerfahrenen Christoph Preuß eine Chance und setzte Nationalspieler Daniel Bierofka auf die Ersatzbank - korrigierte Toppmöller zur Halbzeit. Der dritte Wechsel, Thomas Kleine kam nach einer Stunde für Juan, verhinderte dann, den angeschlagenen Nowotny aus dem Spiel nehmen zu können.

"Die Aufstellung ist Sache des Trainers", sagte Calmund. Aber in Leverkusen fragen sich immer mehr, wie lange der noch Klaus Toppmöller heißen wird.