Marktwirtschaft kann zynisch sein. Ebola trat in Afrika das erste Mal bereits in den 70er-Jahren auf. Da aber bislang nur arme Länder betroffen waren, gibt es noch kein zugelassenes Medikament: Die aufwendige Forschung lohnte sich schlicht nicht, zumal Ebola bisher nur sehr sporadisch auftrat. Doch jetzt, wo die Krankheit die westliche Welt erreicht hat, könnte sich das ändern. Ende September haben die Vereinten Nationen die Staaten aufgerufen, eine Milliarde Dollar für den Kampf gegen Ebola freizumachen. Damit wird die Seuche für die Industrie. lukrativ
Weltweit gibt es rund ein Dutzend meist kleiner, hoch spezialisierter Biotech-Firmen, die an Medikamenten oder Impfstoffen arbeiten. Doch kein Akutmittel wurde bislang in klinischen Tests umfassend an Menschen erprobt – es fehlte das Geld. Die WHO versucht nun, das im Eilverfahren zu ändern. Schlagzeilen machte dabei vor allem das Medikament ZMapp des nicht börsennotierten US-Unternehmens Mapp Biopharmaceutical aus Kalifornien, das unter anderem zwei in Westafrika an Ebola erkrankten Amerikanern Mitte August verabreicht wurde. Beide sind mittlerweile geheilt. Unklar ist allerdings, welchen Anteil das Serum, eine Art Antikörpercocktail, tatsächlich an der raschen Genesung der beiden hatte.
Deutlich schneller als ZMapp lässt sich TKM-Ebola produzieren, ein gentechnisch hergestelltes Medikament des Pharmaunternehmens Tekmira aus Vancouver. Tekmira zählt gerade einmal 92 Mitarbeiter und knapp zwölf Millionen Euro Umsatz, ist an der Börse aber mittlerweile gut 430 Millionen Euro wert. Die Hoffnung auf einen Durchbruch im Kampf gegen Ebola treibt den Kurs. TKM-Ebola enthält Erbgutbruchstücke, die die Proteinproduktion in den von Ebola befallenen Zellen so verändert, dass sich das Virus in ihnen nicht mehr vermehrt. In Versuchen mit Affen überlebten alle infizierten Tiere. Ein experimenteller Einsatz von TKM bei einem Ebola-Erkrankten im September verlief erfolgreich.
Hoffnungen schürt auch das Grippe-Medikament Favipiravir des japanischen Herstellers Toyama Chemical, einer Tochter des Fuji-Konzerns. Das Mittel hat bereits alle klinischen Tests durchlaufen und ist in Japan unter dem Produktnamen Avigan zur Behandlung von Influenza zugelassen. In den USA bemüht sich das US-Unternehmen Medivector um eine Zulassung. Das Unternehmen BioCryst Pharmaceuticals aus North Carolina forscht an einem Medikament namens BCX4430, das zur Behandlung sogenannter hämorrhagischer Fieber wie Ebola oder dem verwandten Marburg-Virus eingesetzt werden soll. Sarepta Therapeutics stellte genug Medikamente für bis zu 100 Ebola-Patienten in Aussicht. In Tierversuchen hatten 60 bis 80 Prozent der infizierten Tiere überlebt. Allerdings gibt es noch keine Tests mit Menschen.
Große Hoffnungen setzen die Gesundheitsbehörden zudem auf eine Impfung. Dieser Markt dürfte langfristig größer sein, als der für Mittel zur Akutbehandlung. Relativ weit gediehen ist ein Impfstoff, an dem die US-Gesundheitsbehörde NIAID mit dem britischen Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) forscht. Das Vakzin GSK/NIAID hatte bereits in Tierversuchen mit Affen vielversprechende Ergebnisse gezeigt und wird seit Mitte September auch an Menschen getestet. Auch der US-Pharmariese Johnson&Johnson und der Hersteller NewLink aus Iowa bereiten klinische Tests vor oder stehen kurz davor. Normalerweise dauern die Jahre, doch „individuelle Heilversuche“ könnten unter dem Druck der Verhältnisse eventuell zugelassen werden.
„So tragisch die Todeswelle in Westafrika auch ist, sie ist auch eine Chance“, sagt NewLink-Manager Brian Wiley. Es sei traurig, dass erst jetzt etwas passiere. „Aber die Erfolgsaussichten standen nie so gut, endlich ein wirksames Mittel gegen Ebola zu finden.“