Walter Popp ist Leiter der Krankenhaushygiene im Universitätsklinikum Essen und Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene. Nach dem Tod eines Babys in Berlin sprach Helga Labenski mit ihm über Möglichkeiten, Infektionen in Krankenhäusern zu verhindern.
Berliner Morgenpost:
Meldungen über Krankenhausinfektionen verunsichern Patienten. In Berlin ist ein Baby vermutlich nach einer Serratia-Infektion gestorben. Täuscht der Eindruck, dass Infektionen in Kliniken zunehmen?
Walter Popp:
Wir stellen in den letzten Jahren fest, dass die Zahl der Ausbrüche rapide zunimmt. Allein in den zurückliegenden ein, zwei Jahren gibt es immer mehr infektionsbedingte Erkrankungen. Und die Stationen fragen immer öfter um Rat.
Welche Ursachen gibt es dafür?
Der Grund ist schwer zu nennen, es spricht einiges dafür, dass die Zunahme von multiresistenten Keimen eine Ursache ist. Das sind Keime, die gegen Antibiotika immun sind. Im aktuellen Berliner Fall handelt es sich vermutlich aber nicht um einen multiresistenten Keim, sondern um eine Serratia-Infektion, also einen Darmkeim, der auf einige Antibiotika anspricht. Solche Keime sind ebenfalls schwer zu bekämpfen, weil die Patienten sie ja mit sich tragen.
Sind die Kliniken dagegen also machtlos?
Infektionen in Krankenhäusern sind schwer zu verhindern. Es kommt darauf an, sie sofort zu erkennen und schnell Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Welche Maßnahmen sind das?
Es muss sehr schnell eine Gruppe gebildet werden aus Pflegekräften, Ärzten, dem Reinigungsdienst und anderen, die regelmäßig die betroffene Station betreten. Sie müssen ein Schema von Maßnahmen abarbeiten. Dazu gehört meist die Isolierung der infizierten Patienten, also die räumliche Trennung. Es gibt Standards, die unbedingt kontrolliert werden müssen, zum Beispiel die regelmäßige Desinfektion von Händen und medizinischen Geräten, Mundschutz und der regelmäßige Wechsel der Kittel.
Gibt es besondere Maßnahmen, die speziell auf Säuglingsstationen Standard sind?
Es gibt Überlegungen, ob man Risikoschwangere frühzeitig auf Keime screenen sollte. Viele Experten empfehlen, dass man das machen sollte.
Ist das Krankenhauspersonal hinreichend qualifiziert, um den Ausbruch einer Infektion schnell zu erkennen?
Nach dem neuen Bundesinfektionsschutzgesetz sollen Ärzte und Pfleger in Sachen Hygiene qualifiziert werden. Die genaue Ausführung ist Ländersache. Aber in der Regel erhalten Ärzte nun eine 40-stündige Weiterbildung. Für das Pflegepersonal ist das nicht so genau geregelt.
Reichen 40 Stunden als Fortbildung aus?
Von einer gründlichen Weiterbildung kann man da nicht sprechen. Das ist eher ein Kompromiss aus dem, was machbar ist, und dem, was sein sollte. Anders als das Pflegepersonal haben Ärzte ja während ihrer Ausbildung relativ wenig mit Hygienefragen zu tun. Sie erfahren in dem Kurs etwas über rechtliche Grundlagen wie Landeshygieneverordnungen, Medizinprodukte, über Keime und Meldepflicht. Es ist eine Art Schnupperkurs. Zudem müssen künftig Kliniken mit mehr als 400 Betten einen Facharzt als Hygienebeauftragten haben. Die Ärzte durchlaufen eine fünfjährige Weiterbildung. Derzeit gibt es aber erst rund 300 Hygieneärzte in Deutschland. 400 solcher Ärzte fehlen. Es wird noch einige Jahre dauern, bis wir genügend Hygienefachärzte haben.
Ist es also um die Hygiene in den deutschen Kliniken schlecht bestellt?
Es gibt einige Faktoren, die dem Ausbruch von Infektionskrankheiten Vorschub leisten. Zum Beispiel wird immer mehr Personal abgebaut. Wenn sich auf einer Intensivstation eine Pflegerin um drei Patienten kümmern muss, dann bleibt vielleicht nicht immer die Zeit, den Kittel zu wechseln oder die Hände zu desinfizieren. Auch bei der Reinigung wird Personal abgebaut.