Paris ist die Hochburg der Romantik. Verliebte müssen da einfach hin. Sie können auf prächtigen Promenaden spazieren und in Cafés träumen. Allerdings kostet der Espresso an den Champs-Élysées sechs Euro, ein Bier acht, ein Gläschen Wein 14 Euro. Das kann selbst den Hormonrausch trüben.
Nicht so in Belgrad, der Hauptstadt Serbiens. Auch dort gibt es stattliche Promenaden und romantische Orte für frisch und seit Längerem Verliebte, aber der Espresso kostet hier nur ein paar Cent, ein Glas Wein oder Bier um zwei Euro. Das selbst ernannte "Herz des Balkans" ist ein günstiges Pflaster, da kann Paris nicht mithalten.
Auch bei den Flüssen schneidet Frankreichs Hauptstadt schlechter ab. Sie hat die Seine, aber Belgrad hat Save und Donau, zwei breite Ströme, die im Schnittpunkt der Stadt ihren Mündungswinkel finden. Darin liegt eine unbewohnte Insel, zu der man mit dem Boot übersetzen kann. Ein guter Tipp für Paare und Einsamkeitssuchende. Auch wenn das Eiland offiziell den Namen "Kriegsinsel" trägt.
Belgrad profitiert davon, dass Serbien nach Balkankrieg und Bombardierung durch die Nato in politisch ruhigere Fahrwasser gelangt. Das beweist auch die jüngste Parlamentswahl, bei der der gemäßigte Boris Tadic, der eine proeuropäische Politik verfolgt, wiedergewählt wurde. Und während der Staatschef vor Heerscharen von Fotografen seine neue Frau heiratet, hält der serbische Regierungschef sein Privatleben aus den Schlagzeilen heraus und bereitet sein Land nachhaltig auf eine EU-Mitgliedschaft vor.
Europa spielt derzeit ohnehin eine wichtige Rolle: Der Eurovision Song Contest 2008, den Serbien voriges Jahr gewann, steht vor der Tür. Belgrad ist Gastgeber des Wettbewerbs, dessen Finale am 24. Mai stattfindet. Hunderte Millionen Fernsehzuschauer werden sich ein Bild von Belgrad machen; Tausende Fans sind bereits hierher gereist. Die No Angels gehen für Deutschland ins Rennen. Sie werden eine Stadt im Aufbruch erleben und Menschen treffen, die ihren Nationalismus nicht mehr als höchste patriotische Pflichterfüllung empfinden, auch wenn die Kosovo-Frage noch nicht gelöst ist. Aber die Atmosphäre hat sich verändert, die Serben wollen nicht mehr Herren des Balkans, sondern Europäer sein. Besucher empfangen sie mit "Dobrodosli" ("Willkommen") und einer Herzlichkeit, die in der kommerziellen Touristenhochburg Paris unbekannt ist.
Von Paris wissen wir alles. In Beograd, wie Belgrad auf Serbisch heißt, dagegen gibt es noch viel zu entdecken. Die Stadt zwischen Orient und Okzident zeigt sich modern und jünger als mittel- und westeuropäische Metropolen, das Kulturangebot ist erstaunlich vielfältig.
Als schönster Stadtteil gilt Zemun mit seinen Gründerzeit- und Jugendstilbauten. Am Wochenende wird im Standesamt seriell getraut, davor haben Sinti und Roma ihren Auftritt. Kompaniestark sind sie mit Trompeten, Tubas, Saxofonen, Gitarren und Trommeln angerückt. Sobald ein blumenüberzogener Wagen vorfährt, stürmen alle auf ihn zu und spielen mit ohrenbetäubender Lautstärke.
Laut wird es auch beim Song Contest in der Beograd-Arena in Novi Beograd. Der Stadtteil steht für realsozialistische Einfalt: Quadratkilometerweit Platte, dazwischen gläserne Bürobauten und Hotels. Modern, aber nicht schön. So wie Paris in seinen Vorstädten. Doch das Bild ist geprägt von jungen Leuten, und hier wird Party gemacht: Auf Donau und Save gibt es festvertäute Schiffe, auf denen internationale DJs auflegen. Was weiblich ist, trägt Hotpants, Pailettentops und hochhackige Stiefel. Was männlich ist, Goldketten. Manchmal schießt vor lauter Begeisterung einer in die Luft, in Belgrad sind viele Waffen im Umlauf. Keine Polizei rückt an, aber alle grölen vor Freude. Wo könnte man das in Paris erleben?