Kreischende Möwen, lange Sandstrände und tosende Wellen gibt es an jedem Meer. Auch an der Nordsee. Und trotzdem ist sie etwas Besonderes: weil Boßeln hier Nationalsport ist, weil es nur hier die echte Nordseekrabbe und das Wattenmeer gibt, diese weltweit einmalige Naturlandschaft in der Zwischenwelt aus Ebbe und Flut. Das Besondere der Nordsee hat sich längst herumgesprochen: Rund 37 Millionen Übernachtungen werden zwischen Sylt und Borkum pro Jahr gezählt. Warum? Darum:
Meer entdecken
Die Nordseeküste ist die exotischste Urlaubsregion in Deutschland. Die Bewohner pflegen ihre eigene Sprache. Neben Hochdeutsch werden Plattdeutsch, Dänisch und zehn friesische Dialekte parliert. Und weil sich die Bewohner nicht verbiegen lassen, entstand in Dithmarschen der einzige "Tatort" der ARD, in dem Untertitel nötig waren: Denn wenn die Dithmarscher sprachen, sprachen sie Plattdeutsch. Schwierig könnte es auch bei der Aussprache der traditionellen Speisen wie Updrögt Bohn (Bohneneintopf mit einem Klecks Apfelmus) werden. In traditionellen Gasthöfen wie dem "Deutschen Haus" in Carolinensiel-Harlesiel werden den Gästen die Speisen nach alten Rezepten aufgetischt. Exotisch ist auch der Nationalsport des Nordens, das Boßeln. Dabei wird eine rund zehn Zentimeter große Kugel mit voller Kraft die Straße entlang geworfen. Von dort, wo die Kugel liegen bleibt, wird sie weiter geworfen. Gewonnen hat die Mannschaft (fünf Spieler), die die Strecke mit den wenigsten Würfen überwindet (www.ostfriesland.de).
Fünf vor Flut
Die Gezeiten bestimmen den Lebensrhythmus. Ungefähr alle sechs Stunden zieht sich das Meer bei Ebbe zurück und läuft bei Flut wieder auf. Wenn der Meeresgrund freiliegt, lässt sich das Watt erkunden und sogar von Amrum nach Föhr hinüberwandern (oder umgekehrt, circa acht Kilometer). 1985/86 und 1990 wurden das Schleswig-Holsteinische, Niedersächsische und das Hamburgische Wattenmeer unter Schutz gestellt, um den Lebensraum von Seehunden, Fischen, Vögeln und Kleinsttieren zu schützen. Am Rande des Watts steht einmal im Jahr ein besonderer Freizeitsport auf dem Programm: das Schlickschlittenrennen (10. August bei Krummhörn-Greetsiel). Das Spektakel soll an die Fischer erinnern, die einst auf ihren Schlickschlitten zu den Stellnetzen im Watt glitten (www.greetsiel.de). Und wenn das Wasser wieder da ist, ist die Nordsee natürlich auch herrlich - zum Baden. Der längste Strand erstreckt sich über 40 Kilometer entlang von Sylts Westküste. Der breiteste Strand (12 Kilometer lang) dehnt sich in Sankt Peter-Ording bis zu zwei Kilometer aus (www.nordseetourismus.de).
Freiluft-Inhalatorium Nordsee
Ferien an der Nordsee werden automatisch zum Wellnessurlaub: Dafür sorgt die besondere Mischung aus Wind, Sonne, Wasser und salzhaltiger Luft. Schon ein langer Deichspaziergang bei Westwind wirkt nach der Erfahrung sturmerprobter Insel-Ärzte wie eine belebende Massage, die den Körper zu stärkerer Hautdurchblutung und verbessertem Stoffwechsel anregt. Wem das nicht reicht, der kann mit Meerwasserbädern, Schlick und Algenpackungen in einem der zahlreichen Thalasso-Zentren noch etwas nachhelfen.
Spuren des "Schimmelreiters"
Einer der berühmtesten Söhne Schleswig-Holsteins ist Theodor Storm (1817-1888). Eines seiner berühmtesten Werke ist die Novelle vom "Schimmelreiter" und dem Deichbauer Hauke Haien. Rund um Storms Heimatstadt Husum können Besucher auf Spurensuche des Dichters und seines berühmten Protagonisten gehen (www.husum-tourismus.de). Ein Künstler der Neuzeit, der ebenfalls mit dem Norden eng verbunden ist, ist der Komiker Otto. In seiner ostfriesischen Heimat Emden steht das "Otto-Huus" (www.otto-waalkes.com).
Fünf Sterne für Sylt
Keine deutsche Insel hat mehr Gourmetrestaurants zu bieten als Sylt. Das sehen auch die gestrengen Kritiker der Feinschmecker-Bibeln "Michelin" und "Gault-Millau" so. Der "Michelin" prämierte Johannes King ("Söl'ring Hof") zuletzt mit zwei Sternen, jeweils einen "Michelin"-Stern erhielten Alessandro Pape ("Fährhaus Sylt"), Holger Bodendorf ("Landhaus Stricker") und Jörg Müller ("Jörg Müller", www.sylt.de).
Ostfriesische Tradition
Teetrinken ist nach wie vor ein ostfriesisches Charakteristikum. Es wird geschätzt, dass sich ein Ostfriese in seinem Leben mit 300 000 Tassen Tee den Magen wärmt. Die Tasse darf nur zu drei Viertel gefüllt, mit Kluntje (ein Stück Kandiszucker) gesüßt und mit ungeschlagener Sahne verfeinert werden. Das Umrühren des Heißgetränkes ist verpönt. Die Ostfriesen bekamen Wind vom Tee über ihre holländischen Nachbarn, die das fernöstliche Getränk aus ihren Kolonien mitbrachten. Die Grundlage der ostfriesischen Teemischungen sind indische Assams, abgerundet mit Tee aus Java. Die ausgeprägte Teekultur ist im Teemuseum in Norden und in Leer erlebbar (www.teemuseum.de).
Gut gebettet
Haubarge, das sind Bauernhöfe, die vor rund 300 Jahren von Holländern für die Bauern erdacht und gebaut wurden. Die riesigen Wohngehöfte, die Mensch und Vieh unter einem Dach vereinten, sind zum Wahrzeichen der Halbinsel Eiderstedt geworden. Heute sind die reetgedeckten Gebäude vom Verschwinden bedroht. Um 1900 waren es noch 400, heute zählt man an der deutschen Nordseeküste noch rund 50 (denkmalgeschützte) Haubarge. Der bekannteste ist der Rote Haubarg in Witzwort, heute Museum und Restaurant. Einige der historischen Haubarge sind zu Ferienwohnungen umfunktioniert worden (www.tz-eiderstedt.de).
Raubtiere mit Kulleraugen
Bei ihrem Anblick werden wir Menschen schwach: diese großen Augen, der große Kopf mit Pausbacken, die Stupsnase, die tollpatschigen Bewegungen - wir müssen Seehunde einfach lieben. Gut 5500 der Raubtiere mit Kulleraugen leben allein im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Die Tiere dürfen zwar bewundert und fotografiert werden, anfassen darf man sie aber nicht. Schon gar nicht die Jungtiere, weil die mit Menschengeruch behafteten Heuler - so werden kleine Robben genannt, weil sie mit Geheul ihre Mutter rufen - von ihrer Sippe meist nicht mehr akzeptiert werden. Einige solcher verstoßenen Tiere werden in einer Seehund-Aufzuchtstation wie der in Norddeich aufgepäppelt, bis sie kräftig genug für die Rückkehr in die freie Wildbahn sind. Wer mehr über weitere Meeressäuger erfahren will, wird im Waloseum bei Norddeich fündig (www.seehundstation-norddeich.de, www.wattenmeer-nationalpark.de).
Helgoland auf der Kippe
Vielleicht bekommen Sie Helgoland bald nicht mehr so zu sehen, wie es jetzt ist. Also nichts wie hin! Zum einen soll die einzige Hochseeinsel Deutschlands flächenmäßig verdoppelt werden - ein norddeutscher Unternehmer will die Felsinsel mittels Sandaufschüttungen mit ihrer vorgelagerten Düne verbinden. Auf dem gewonnenen Land sollen Hotels und eine Landebahn für größere Flugzeuge entstehen. Die Nordsee hatte Insel und Düne vor rund 300 Jahren getrennt. Zum anderen steht es um Helgolands Wahrzeichen "Lange Anna" nicht gut. Die 47 Meter hohe Felsnadel aus rotem Sandstein ist nach Forschermeinung akut vom Einsturz bedroht (www.helgoland.de).
Genuss aus dem Meer
Der bekannteste Nordsee-Leckerbissen ist die Crangon crangon, die mal als Kreut (in Friedrichskoog), mal als Nordseekrabbe (in Büsum) bezeichnet wird. Dass die Krabbe keine Krabbe, sondern eigentlich eine Garnele ist, soll uns nicht weiter stören - Hauptsache, sie schmeckt. Mit Bodenschleppnetzen wird das Meeresgetier von Kuttern aus dem Wattenmeer gefischt und noch an Bord zur Konservierung in Salzwasser gekocht. Büsum hat der Krabbe ein eigenes Denkmal gesetzt, und zwar ein mobiles: Für Urlauber kurvt eine Eisenbahn auf Rädern, der Krabbenexpress, durch den Ort (www.buesum.de).